EU-Gipfel in Krisenzeiten Merkel will weitere Milliarden für Flüchtlinge in der Türkei
Brüssel (dpa) - Trotz des bitteren Streits mit der Türkei hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel klar zum Flüchtlingspakt mit Ankara bekannt und will dafür auch weitere EU-Milliarden ins Land fließen lassen.
„Hier leistet die Türkei Herausragendes“, sagte die CDU-Chefin beim EU-Gipfel in Brüssel. Nach der Route zwischen der Türkei und Griechenland will die EU nun auch den Flüchtlingsweg von Afrika nach Italien abschotten und dabei eng mit Libyen zusammenarbeiten.
Die Türkeipolitik wurde am Abend auf Merkels Wunsch in der Runde der 28 Staats- und Regierungschefs besprochen. Schon bei der Ankunft in Brüssel erinnerte die Kanzlerin an die Verhaftung mehrerer Deutscher in der Türkei und nannte die demokratische Entwicklung des Landes sehr negativ. „Wir haben hier sehr große Sorgen“, sagte sie.
Doch gibt es im Kreis der EU-Länder kaum Unterstützung für einen Bruch, auch weil der Flüchtlingspakt mit Ankara nicht gefährdet werden soll. Dieser hat seit Anfang 2016 dazu geführt, dass viel weniger Menschen aus der Türkei nach Griechenland kommen.
Merkel akzeptiert zwar, dass weiter Geld zur Versorgung von Flüchtlingen in die Türkei fließt - drei Milliarden Euro sind schon verplant, drei weitere sollen folgen. Doch strebt die Kanzlerin nun zumindest eine Kürzung jener Zahlungen an, die die Türkei für eine etwaige EU-Mitgliedschaft fit machen sollen. Diese Vorbeitrittshilfen sind auf 4,45 Milliarden Euro bis 2020 veranschlagt; 368 Millionen davon sind bisher vertraglich gebunden.
Erste Beschlüsse beim Gipfel drehten sich aber um andere Themen. So warnten die Staats- und Regierungschefs die USA vor einem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran, das Präsident Donald Trump zuletzt in Frage gestellt hatte. Die EU machte auch deutlich, dass sie Trumps Drohung mit einer militärischen Lösung des Nordkorea-Konflikts nicht für den richtigen Weg hält. Sie droht Nordkorea eine weitere Verschärfung von Sanktionen an.
Zur Flüchtlingspolitik sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk, man wolle Italien und dessen Zusammenarbeit mit den libyschen Behörden unterstützen: „Wir haben eine echte Chance, die Route über das zentrale Mittelmeer zu schließen.“
Gleichzeitig wolle man den EU-Fonds zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika auffüllen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte, die Mitgliedstaaten hätten erst 175 Millionen Euro für den Fonds zugesagt: „Das ist ganz klar nicht genug.“ Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen nach Tusks Worten auch einen neuen Anlauf zur Reform des höchst umstrittenen EU-Asylsystems starten und dies möglichst bis Mitte 2018 abschließen.
Der Gipfel bestätigte auch den Start einer engeren Zusammenarbeit bei der Verteidigung zum Jahresende und bekannte sich zu einer raschen Digitalisierung Europas.
Der für 2019 geplante EU-Austritt Großbritanniens steht erst für Freitag auf der Tagesordnung. Premierministerin Theresa May mahnte erneut Tempo bei den bisher schleppenden Brexit-Verhandlungen mit der EU an. Sie hoffe auf „ambitionierte Pläne“ für die kommenden Wochen, sagte sie zu Beginn des Gipfels in Brüssel und warb später beim Arbendessen der Staats- und Regierungschefs für ihre Position.
Großbritannien will so schnell wie möglich über ein Handelsabkommen mit der EU für die Zeit nach dem Austritt sprechen. Brüssel blockt das bisher ab und will vorher Zusagen aus London, vor allem bei finanziellen Verpflichtungen. Merkel sagte, bei den Gesprächen gebe es ermutigende Fortschritte, die allerdings noch nicht ausreichten. Sie geht aber davon aus, dass die nächste Verhandlungsphase beim EU-Gipfel im Dezember eingeläutet werden kann.
Auch die Debatte über Reformen der EU - vorangetrieben vor allem von Frankreich - am Freitag Thema sein. Ratspräsident Tusk hatte am Dienstag einen Fahrplan für Entscheidungen bis Mitte 2019 vorgelegt. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, er freue sich auf die Diskussion mit Tusk über eine entschlossene Agenda für die Zukunft Europas „auf der Grundlage von Initiativen, die wir angestoßen haben“.