EU verlängert Syrien-Waffenembargo
Brüssel/Genf (dpa) - Eine militärische Lösung in Syrien gilt fast zwei Jahre nach Beginn des Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad als zunehmend unwahrscheinlich. Die Europäische Union verlängerte ihr Waffenembargo um drei Monate.
Zugleich vereinbarten die EU-Außenminister, das Verbot der Lieferung von militärischer Ausrüstung zum Schutz der Zivilbevölkerung zu ändern. Mehrere Minister, darunter auch der deutsche Ressortchef Guido Westerwelle, forderten eine politische Lösung für den Konflikt zwischen dem Assad-Regime und der Opposition.
Auch UN-Experten glauben nicht an eine militärische Lösung, wie aus dem jüngsten Lagebericht der vom UN-Menschenrechtsrat in Genf berufenen Syrien-Kommission hervorgeht. Es gebe „keine Alternative zu einer politischen Lösung“, betonte die vom brasilianischen Diplomaten Paulo Pinheiro geleitete Expertengruppe. Die Kommission forderte erneut, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich zu verfolgen. Einer sich ausbreitenden gefährlichen „Kultur der Straflosigkeit“ müsse entgegengetreten werden.
Die Kommission kündigte an, der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, im März eine vertrauliche Liste mit Namen und Einheiten zu übergeben, denen Kriegsverbrechen angelastet werden. Die Kommission wirft den Truppen des Assad-Regimes, aber auch regierungsfeindlichen Gruppierungen Morde, Folter, Vergewaltigungen und Angriffe auf Zivilisten vor. Seit Beginn des Aufstandes im März 2011 sind nach UN-Schätzungen nahezu 70 000 Menschen getötet worden.
Die EU-Außenminister wollen zum Schutz der Zivilbevölkerung ermöglichen, dass größere technische Hilfe und eine größere Unterstützung durch Lieferung „nicht-letaler“ - also nicht-tödlicher - Güter geleistet werden kann. Damit reagierten die Minister auf die britische Forderung nach Lieferung militärischer Güter an die syrische Opposition.
Die Sanktionen würden „angepasst, um stärker auch die zivile Bevölkerung zu schützen und zu unterstützen“, sagte Westerwelle. Eine Aufhebung des Waffenembargos hatte der FDP-Politiker zu Beginn des Treffens als „nicht vernünftig“ zurückgewiesen. „Eine Aufhebung des Waffenembargos würde lediglich zu einem Aufrüstungswettlauf in Syrien führen.“
EU-Diplomaten sagten, die jetzt gefundene Formel zur Verlängerung der Sanktionen habe „keine praktische Bedeutung“. Militärische Güter, deren Zweck nicht das Töten von Menschen sei, seien schon bisher für humanitäre Zwecke erlaubt. Es handele sich bei der Formel um eine politische Geste gegenüber Großbritannien. Das Waffenembargo wäre am 28. Februar ausgelaufen, hätten sich die Minister nicht geeinigt.
Die islamistische Al-Nusra-Front, eine der militärisch erfolgreichsten Rebellenbrigaden in Syrien, machte deutlich, dass sie nach einem Sturz des Assad-Regimes die Errichtung eines islamischen Staates anstrebt. „Unser Ziel ist die Gründung eines islamischen Staates in Syrien, der auf dem Prinzip der Beratung („Schura“) gründet“, sagte ein Sprecher des politischen Arms der Bewegung, Salim Sabagh, in der Nacht zum Montag in der Stadt Aleppo.
In einigen „befreiten Gebieten“ habe die Al-Nusra-Front bereits Gerichte eingerichtet, die auf Grundlage des islamischen Rechts („Scharia“) urteilten. Dies sei von der Bevölkerung positiv aufgenommen worden. Auf die Frage, welche Rechte in diesem Staat die religiösen Minderheiten hätten, vor allem die Christen und Drusen, antwortete er ausweichend. Die USA hatten die Al-Nusra-Front (Dschabhat al-Nusra) bereits im Dezember 2012 auf ihre Liste von Terrororganisationen gesetzt.
Die Syrien-Kommission empfiehlt in ihrem Bericht, der UN-Sicherheitsrat in New York möge den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag einschalten. Hinsichtlich der Schwere der Kriegsverbrechen gebe es zwar keinen Unterschied zwischen Truppen des Assad-Regimes und der Opposition, jedoch würden Regierungssoldaten und mit ihnen verbündeten Milizen erheblich mehr derartige Verbrechen begehen als ihre Gegner.
Um Bemühungen zur Einschaltung des IStGH wird es auch bei der am kommenden Montag in Genf beginnenden 22. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates gehen. Zu dessen 47 Mitgliedstaaten gehört seit Januar für drei Jahre auch Deutschland.