Fünf Jahre Bürgerkrieg: Für Syrien oder Allah - gegen Assad

Nach fünf Jahren Bürgerkrieg ist die Hälfte der Syrer auf der Flucht. Von Montag an wird in Genf über Frieden verhandelt — vielleicht.

Foto: Mohammed Badra

Düsseldorf. Wann das Blutvergießen in Syrien begonnen hat, lässt sich so genau nicht sagen. Die internationale Gemeinschaft hat sich deshalb auf den 15. März 2011 geeinigt. Bürgerkriege brauchen offensichtlich einen genau terminierten Anfang — vielleicht, damit sie eines Tages ein Ende finden können. Davon ist das Land freilich weit entfernt. Im Gegenteil, das vergangene Kriegsjahr, es ist das fünfte, gilt als das blutigste seit Beginn des Aufstandes gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad (50).

50 000 Menschen sollen allein in den vergangenen zwölf Monaten bei Kämpfen, Bombardements und Anschlägen ums Leben gekommen sein. Mehr als 250 000 starben nach vorsichtigen Schätzungen der Vereinten Nationen seit 2011, weitere 100 000 gelten als verschwunden. Seit 16 Jahren regiert der Sohn eines Putschisten das Land mit seinen ehemals knapp 21 Millionen Einwohnern. Acht Millionen von ihnen sind im Inland auf der Flucht, vier Millionen Syrer sind ins Ausland geflohen.

Im März 2011 eskalieren Proteste in Syriens Hauptstadt Damaskus

Mitte März 2011 jedenfalls eskalieren Demonstrationen in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Schüler hatten — von der Jasmin-Revolution, den Protesten in Tunesien, inspiriert — regierungskritische Parolen an Wände gesprüht und wurden deswegen wie Tausende andere Demonstranten ins Gefängnis geworfen. Der Funke des Arabischen Frühlings springt auf Syrien über.

Die Welt ist allerdings mit anderen Dingen beschäftigt — in einer japanischen Stadt namens Fukushima sind Teufel und Atome los. Am 11. März havariert dort nach Seebeben und nachfolgendem Tsunami das Atomkraftwerk Daiichi. In Deutschland fragen sich die Menschen, ob sie unbesorgt Sushi essen können. Die Berichterstattung über die Umbrüche im Nahen Osten wird für Wochen zur Randnotiz.

Wohl auch, weil Machthaber al-Assad seine Landsleute mit Versprechen auf Reformen zu beruhigen versucht und die landesweiten Proteste als Werk ausländischer Verschwörer und islamistischer Terroristen darstellt. Das, was man vor fünf Jahren getrost als Propaganda-Klamauk Assads abtun konnte, ist heute ironischerweise zur Realität geworden: Längst kämpft nicht mehr das Regime gegen seine Bevölkerung — und umgekehrt. Tatsächlich sind im Jahr fünf des syrischen Bürgerkriegs weite Teile des Landes in der Hand islamistischer Terrorbanden.

Im Sommer 2014 ruft der IS sein Kalifat in Syrien und dem Irak aus

Der sogenannte Islamische Staat (IS) hatte sich vom Irak aus in Syrien breitgemacht und im Sommer 2014 sein Kalifat ausgerufen. Auch die Terrorkonkurrenz von Al-Kaida mischt kräftig mit. In Sachen Brutalität, Radikalität und Menschenverachtung ist Kaidas syrische Filiale Jabhat al-Nusra (Nusra-Front) nicht besser als die IS-Kopfabschneider.

Dass Assad die US-geführte Allianz, die eigentlich gegen IS und al-Nusra Einsätze fliegt, für ausländischer Verschwörer hält, darf man wohl voraussetzen. Seine eigenen Truppen bekommen Unterstützung der russischen Luftwaffe, die seit September 2015 Angriffe auf Rebellen, vor allem der Freien Syrien Armee (FSA) und gegen das im Oktober 2015 formierte Bündnis Demokratische Kräfte Syriens (SDF), fliegt. Auch iranische Revolutionsgardisten und libanesische Hisbollah-Millizionäre mischen auf der Seite ihres Verbündeten mit — und befeuern damit den schiitisch-sunnitischen Konflikt. Der Iran versteht sich als Schutzmacht der Schiiten, Saudi-Arabien, Katar und die Türkei unterstützen hingegen sunnitische Gruppen.

Islamisten haben kein Interesse an einem demokratischen Syrien

Womit das ganze Dilemma des Bürgerkriegs skizziert ist: Während es Assad um den Erhalt seiner Macht geht, kämpft die moderate Opposition für ein demokratisches Land. Radikal islamistische und dschihadistische Gruppen haben damit per se nichts am Hut. Ihnen geht es um die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates. Neben al-Nusra und dem IS sind es mehrere Dutzend.

Dennoch sollen am Montag auch die Gegner eines säkularen und demokratischen Syriens in Genf mit am Verhandlungstisch sitzen. Die Anfang Februar nach vier Tagen abgebrochenen Friedensgespräche sollen dann weitergehen: Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura (69) hat den Plan, die Syrer in anderthalb Jahren unter UN-Aufsicht einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament wählen zu lassen. Binnen einer Woche soll eine Vereinbarung unterzeichnet werden — wobei de Mistura vorsichtshalber einschränkt: „Dokumente sind zwar wichtig, aber die Praxis ist wichtiger.“

Die Praxis, das ist die Waffenruhe, die seit knapp zwei Wochen mehr oder weniger hält. „Sie ist zerbrechlich, aber sie funktioniert“, sagte am Freitag Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums. Die erste Behauptung stimmt, die zweite wohl nicht. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte starben am selben Tag bei einem Luftangriff auf Aleppo mindestens fünf Menschen. Sie hatten dort gegen Assad demonstriert. Verantwortlich seien russische oder syrische Jets.