Gasstreit: „Winterpaket“ soll Ukrainer wärmen
Berlin (dpa) - Im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine sind nach Angaben der EU-Kommission die Chancen auf eine Lösung erheblich gestiegen. Es seien Eckpunkte für ein „Winterpaket“ erarbeitet worden, um die Gasversorgung Europas und der Ukraine über den Winter bis Ende März 2015 zu sichern.
„Ich halte diese Lösung für tragfähig“, sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger in Berlin nach stundenlangen Gesprächen mit den Energieministern beider Länder.
Ein Kompromissvorschlag sieht vor, dass die Ukraine bis Jahresende in zwei Raten insgesamt 3,1 Milliarden US-Dollar an Altschulden bei den Russen bezahlt, umgekehrt liefert Russland bis Ende März verbindlich Gas zu einem Preis von 385 US-Dollar (ca. 303 Euro) je 1000 Kubikmeter. Die EU will dafür sorgen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) für die Zahlungen Kiews garantiert.
Bis nächste Woche haben die Regierungen in Moskau und Kiew nun Zeit, diesem Paket zuzustimmen. Dann sollen die Verhandlungen bei einem weiteren Treffen in Berlin abgeschlossen werden. Der russische Energieminister Alexander Nowak sagte: „Die Details des Winterpakets sind für uns zufriedenstellend.“ Ein Teil der ukrainischen Altschulden werde beglichen, neue Gaslieferungen werde es nur gegen Vorkasse geben.
Noch seien einige Punkte zu klären, bevor er der russischen Regierung eine Zustimmung empfehlen könne: „Wir wollen den Ereignissen nicht vorgreifen“, sagte Nowak. Die Ukraine habe schon 11,5 Milliarden Kubikmeter Gas ohne Bezahlung abgezweigt. Kiew bekommt schon seit Juni kein russisches Gas mehr und deckt sich über Umwege bei Nachbarn ein.
Der ukrainische Energieminister Juri Prodan hielt sich auf Nachfragen bedeckt, ob und wann sein Land tatsächlich zahlt. Kiew pocht für die Zukunft unverändert auf einen „marktgerechten“ Gaspreis von 268 Dollar (211 Euro), während der russische Monopolist Gazprom bereit ist, den ursprünglich geforderten Preis von 485 Dollar auf 385 Dollar (381 auf 303 Euro) zu senken.
Zu diesem Preis soll die Ukraine nun bis Ende März 2015 verbindlich mindestens fünf Milliarden Kubikmeter russisches Gas bekommen, damit die ukrainische Bevölkerung in warmen Wohnungen über den Winter kommt - aber nur gegen Vorkasse. Die Lieferung kann auf 12 Milliarden Kubikmeter erhöht werden, je nachdem, wie hart der Winter wird.
Knackpunkt bleibt die Frage von ukrainischen Altschulden in Milliardenhöhe bei den Russen. Beide Seiten haben sich vor einem Stockholmer Schiedsgericht gegenseitig verklagt, um das klären zu lassen. Oettinger sagte, eine Entscheidung sei nicht vor Sommer oder Herbst 2015 zu erwarten.
Die Bürger in Europa, vor allem auf dem Westbalkan, sowie in der Ukraine könnten aber angesichts des nahenden Winters nicht so lange warten. „Uns treibt die Sorge der Versorgungssicherheit in diesem Winter 2014/15 um“, sagte Oettinger. „Es ist unser Interesse, dass die Gasversorgung für alle europäischen Bürger durch kluge Lösungen sichergestellt wird.“
Viele südosteuropäische EU-Staaten, aber auch Finnland und das Baltikum, sind nahezu komplett von russischem Gas abhängig. Die Ukraine ist wichtigstes Gas-Transitland nach Westen. Der scheidende Energiekommissar Oettinger glaubt, dass sein „Winterpaket“ funktioniert: „Wir haben in den letzten Wochen nicht geschlafen. Die Chance auf eine Lösung ist sehr groß.“
Eine Eskalation mit einem Lieferstopp wie vor fünf Jahren, als auf dem Balkan Menschen in ihren Wohnungen erfroren, schloss er aber auch nicht aus: „Die Gefahr, dass der Januar 2009 sich wiederholen könnte, ist nicht von der Hand zu weisen.“