Gegen den Strommangel: Venezuela dreht an der Uhr
Caracas (dpa) - Im Kampf gegen den Kollaps der Stromversorgung hat das sozialistische Venezuela am Sonntag die Uhren um eine halbe Stunde vorgestellt. So soll nach Angaben von Staatspräsident Nicolás Maduro mehr natürliches Tageslicht genutzt werden können.
Gemäß eines Regierungsdekrets wurden die Uhren um 02.30 Uhr (09.00 Uhr MESZ) um 30 Minuten vorgestellt. Unter Präsident Hugo Chávez waren die Uhren 2007 um eine halbe Stunde zurückgestellt worden, begründet wurde das damit, dass die Schulkinder dann nicht so früh aufstehen müssten.
Energieexperten erwarten aber keinen großen Effekt zur Reduzierung des Strombedarfs. Als weitere Zwangsmaßnahmen müssen Einkaufszentren und Fabriken Strom sparen. In vielen Städten kommt es zu langen Abschaltungen, was bereits zu Protesten geführt hat. Hauptgrund für den Notstand ist der Wassermangel im Stausee El Guri im Süden, dessen Wasserkraftwerk bis zu 70 Prozent der Energie in Venezuela liefert.
Die Regierung macht das Klimaphänomen El Niño für einen starken Temperaturanstieg verantwortlich, der den Wasserpegel stark hat sinken lassen, die Opposition dagegen fehlende Investitionen in neue, moderne Kraftwerke. Statt normalerweise 10 000 Megawatt ist die Leistung in dem Kraftwerk um mehr als die Hälfte gefallen. In wenigen Tagen könnte der Wasserpegel unter den kritischen Punkt von 240 Meter fallen, dann müssten zahlreiche Turbinen ganz abgeschaltet werden.
In der vergangenen Woche waren Bedienstete des öffentlichen Dienstes aufgefordert worden, wegen der Energiekrise nur an zwei Tagen arbeiten zu gehen. Der Freitag war zuletzt zum schulfreien Tag erklärt worden. Die Opposition hat erste Schritte für ein Referendum eingeleitet, mit dem Maduro abgesetzt werden soll.
Daneben gibt es eine enorme Versorgungskrise, es fehlt landesweit an Lebensmitteln und Medikamenten. Der mit einer Marktabdeckung von fast 80 Prozent größte Bierbrauer Venezuelas hat wegen Gersten-Mangels seine Produktion vorläufig eingestellt. Die Vorräte würden noch maximal für zwei Wochen zum Verkauf reichen, sagte die Direktorin der Polar-Brauerei, Marisa Guinand, dem Sender Globovision.
Schuld sei die Devisenpolitik der Regierung, die es unmöglich mache, weitere Gerste einzuführen. „Polar hat Schulden von 170 Millionen US-Dollar seit über zwei Jahren angehäuft und alle Kreditlinien sind erschöpft.“ Bis zu 10 000 Arbeiter sind von dem Stopp betroffen. Die vorerst freigestellten Arbeiter sollen als Vergütung eine Abfindung in Höhe des Basis-Monatslohns bekommen, sagte Guinand.