Gegenwind für Assad - Kritik aus der eigenen Religionsgruppe
Damaskus (dpa) - Gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad formiert sich öffentlicher Widerstand aus der Basis seiner Macht.
Die „Welt am Sonntag“ sowie andere europäische Zeitungen zitierten am Sonntag aus einer Erklärung von Geistlichen und führenden Persönlichkeiten der Religionsgruppe der Alawiten. Darin distanzieren sie sich vom Assad-Regime. Zugleich plädieren sie für ein friedliches Zusammenleben der Religionsgemeinschaften in einem demokratischen Syrien.
Alawiten sind eine religiöse Minderheit in Syrien. Sie machen etwa ein Zehntel der Bevölkerung aus, repräsentieren aber zu großen Teilen die politische und militärische Elite des Landes - auch Machthaber Assad ist Alawit.
„Die herrschende Macht, wer immer sie verkörpert, repräsentiert uns nicht, bestimmt nicht unsere Identität oder sorgt für unsere Sicherheit und unser Ansehen“, heißt es in dem achtseitigen Dokument unter anderem. Einer der Initiatoren sagte der „Welt am Sonntag“ zudem: „Das jetzige Regime ist totalitär und vertritt nicht die Alawiten. Damit es Frieden geben kann, müssen seine Vertreter aus der Regierung verschwinden.“
Aus Furcht vor Verfolgung haben sich die Unterzeichner nicht zu erkennen gegeben. Sie geben an, 40 Prozent der alawitischen Gemeinschaft zu vertreten, wie die „Welt am Sonntag“ berichtete. Der Weg an die Öffentlichkeit ist für die Kritiker gefährlich. Abweichende Meinungen in Reihen der Alawiten, deren syrisches Kernland in der nordwestlichen Provinz Latakia liegt, werden vom Assad-Regime seit jeher brutal unterdrückt.
In der Erklärung geht es auch um das religiöse Selbstverständnis der Verfasser und der Rolle von Religion im Staat: „Wir fordern ein System, in der Religion eine Quelle kultureller und tugendhafter Normen ist, darüber hinaus (fordern wir) ein System, in dem der Islam, das Christentum und andere Religionen gleich sind.“ Unklar blieb zunächst, wie einflussreich die Verfasser der Erklärung sind. Es sollen laut Bericht aber mehrere angesehene Familien beteiligt sein. Eigenen Angaben zufolge seien auch hochrangige Militärs eingeweiht.
Bei den Syrien-Gesprächen, deren nächste Runde bald in Genf beginnen soll, ist das Schicksal Assads eine der Kernfragen. Während Assad auch künftig Präsident bleiben will, fordert die Opposition seine Absetzung.
Zu dem Zeitungsverbund gehören neben der „Welt am Sonntag“ auch die Zeitungen „La Repubblica“ (Italien), „Le Figaro“ (Frankreich), „Le Soir“ (Belgien) sowie der „Tages-Anzeiger“ und die „Tribune de Genève“ (beide Schweiz).