Groisman zum neuen ukrainischen Regierungschef gewählt
Kiew (dpa) - Das ukrainische Parlament hat Wladimir Groisman zum neuen Ministerpräsidenten gewählt und damit versucht, die monatelange Regierungskrise zu beenden. Die Regierungskoalition hatte sich auf den 38-jährigen Groisman geeinigt.
Der bisherige Parlamentsvorsitzende ist auch Wunschkandidat von Präsident Petro Poroschenko. Schon mit 28 Jahren war der gelernte Schlosser Bürgermeister der westukrainischen Stadt Winnyzja, dem Sitz von Poroschenkos Süßwarenkonzern Roshen.
In der Obersten Rada in Kiew stimmten 257 Abgeordnete für Groisman. Mit demselben Votum bestätigten sie den Rücktritt von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk, der die Regierung seit 2014 geführt hat. Im Vorfeld war diese „Abstimmung im Paket“ bereits als verfassungswidrig kritisiert worden.
„Die Menschen möchten eine Perspektive haben“, sagte Groisman und versprach, dringend nötige Reformen anzupacken. „Wir müssen das Vertrauen der Menschen zurückerlangen.“. Regierungsarbeit müsse transparent sein. Binnen einem Monat wolle er ein spezielles Anti-Krisen-Programm für die Ex-Sowjetrepublik vorlegen.
Mit 239 Stimmen bestätigte die Rada auch Groismans Kabinett mit 22 Ministern und Vizeregierungschefs. Verteidigungsminister Stepan Poltorak, Innenminister Arsen Awakow und Außenminister Pawel Klimkin blieben auf ihren für die Sicherheit des Landes zentralen Posten.
Der für Verhandlungen mit internationalen Geldgebern wichtige Posten des Finanzministers ging an Alexander Daniljuk, der aus Poroschenkos Präsidialamt stammt. Das Experiment mit Reformern ausländischer Herkunft wurde beendet. Die Minister Natalia Jaresko (Finanzen) und Aivaras Abromavicius (Wirtschaft) schieden aus.
Allerdings bröckelte die Parlamentsmehrheit in Kiew bereits. Das Programm der neuen Regierung wurde erst im dritten Versuch bestätigt.
Poroschenko rief die zerstrittenen Kräfte im Parlament zu konstruktiver Zusammenarbeit auf. „Ich reiche allen Oppositionskräften die Hand“, sagte er. Der Präsident betonte aber, dass „niemand gegen das Land stehen“ dürfe.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte, dass die Ukraine nach Monaten politischer Unsicherheit endlich ein neues Kabinett habe. „Der Reformkurs muss jetzt dringend fortgesetzt werden. Die Ukraine hat dabei keine Zeit zu verlieren“, sagte er. Auch angesichts des Konflikts im Osten mit den von Russland unterstützten Separatisten sei eine handlungsfähige Regierung nötig. Dort sei jederzeit eine erneute Eskalation der Gewalt möglich.
Russlands Präsident Wladimir Putin sagte in Moskau, er kenne weder Personen noch Programm der neuen Regierung in Kiew. Er hoffe aber auf mehr Pragmatismus des neuen Kabinetts. Der alten Regierung unter Jazenjuk warf er vor, sie sei ihren anti-russischen „Phobien“ gefolgt und habe unter ausländischem Einfluss gestanden.
Jazenjuk hatte nach monatelangem Druck am Sonntag seinen Rücktritt erklärt. Als Grund nannte er das Stocken des Reformprozesses, den er nach dem Bruch seiner prowestlichen Koalition nicht mehr in Gang bringen könne. Er dankte den Abgeordneten, dass sie ihm in „nicht leichter Zeit“ Vertrauen geschenkt hätten. Poroschenko bekundete Respekt für Jazenjuks Einsatz.
Zum neuen Parlamentspräsidenten wählten die Abgeordneten den früheren Maidan-Kommandeur Andrej Parubij, der für Jazenjuks Partei Volksfront in der Rada sitzt. Während der Massenproteste auf dem Kiewer Maidan 2013/14 hatte er bewaffnete Demonstranten befehligt.