Premierministerin May in der Kritik Hätte die Polizei den Terroranschlag von London verhindern können?

In Großbritannien ist eine Debatte über das Versagen der britischen Polizei entbrannt. Premierministerin May steht kurz vor der Parlamentswahl unter Druck.

Unter Druck: Premierministerin May.

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London. Nach dem Anschlag von London mit sieben Toten wird über ein mögliches Versagen der Sicherheitskräfte diskutiert. Britische Medien hinterfragten am Dienstag, warum die Behörden die Tat nicht verhinderten, obwohl ihnen einer der drei erschossenen Attentäter bekannt war. Premierministerin Theresa May geriet vor der Parlamentswahl massiv unter Druck. Das Land gedachte der Opfer mit einer Schweigeminute.

Britische Boulevardzeitungen warfen den Sicherheitskräften Versagen vor: "Warum haben sie den Dschihadisten aus dem Fernsehen nicht gestoppt?", titelte "The Sun" unter Anspielung auf einen der Attentäter, der vor dem Anschlag in einer TV-Dokumentation über Extremisten zu sehen gewesen war. Der "Daily Mirror" schrieb: "Wie zur Hölle konnte er ihnen durch die Lappen gehen?" Der britische Außenminister Boris Johnson sagte, die Behörden müssten sich diese Fragen gefallen lassen.

Bei dem ersten Attentäter handelt es sich laut den Ermittlern um den 27-jährigen Khuram Shazad Butt, einen Briten mit pakistanischen Wurzeln. Die Polizei erklärte, Khuram sei ihr und dem Geheimdienst MI5 bekannt gewesen, Hinweise auf den Anschlag habe es aber nicht gegeben. Butt war vergangenes Jahr in der britischen Fernsehdokumentation "Die Dschihadisten von nebenan" zu sehen.

Den Namen des zweiten Attentäters gab die Polizei mit Rachid Redouane an. Der 30-Jährige sei nach eigenen Angaben "Marokkaner oder Libyer" gewesen. Redouane und Butt lebten laut der Polizei im multi-ethnischen Londoner Stadtteil Barking, wo die Polizei mehrere Razzien vornahm.

Bei dem dritten Mann handelt es sich nach Informationen italienischer Zeitungen um den 22-jährigen Youssef Zaghba. Er habe die italienische und marokkanische Staatsbürgerschaft gehabt und sei den italienischen Geheimdiensten bekannt gewesen. Diese hätten ihn als "ausländischen Kämpfer" und möglichen Sympathisanten der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) geführt und die britischen Behörden vor ihm gewarnt, hieß es. Zaghba arbeitete zuletzt in einem Londoner Restaurant.

Die drei Attentäter waren am Samstagabend auf der London Bridge im Zentrum der britischen Hauptstadt mit einem Lieferwagen in eine Menschenmenge gerast, anschließend stachen sie im angrenzenden Ausgehviertel wahllos auf Menschen ein. Sieben Menschen starben, 48 wurden verletzt. Die Polizei erschoss die drei Angreifer, die Sprengstoffattrappen trugen. Die IS-Miliz beanspruchte den Anschlag für sich. Insgesamt wurden bei drei Anschlägen in Großbritannien seit März 34 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt.

Im Stadtteil Barking nahm die Polizei einen weiteren möglichen Hintermann der Attentäter fest. Dabei handelt es sich um einen 27-Jährigen. Alle zwölf weiteren zuvor Festgenommenen sind dagegen inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Die Briten gedachten der Opfer mit einer Schweigeminute. Landesweit waren die Flaggen auf Halbmast, viele Menschen legten an den Anschlagsorten in London Blumen nieder.

Premierministerin May kündigte neue Anti-Terror-Maßnahmen an, darunter ein entschlosseneres Vorgehen gegen islamistische Propaganda im Internet und härtere Strafen für Terrordelikte. Die konservative Regierungschefin steht kurz vor der Parlamentswahl am Donnerstag massiv unter Druck. Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour-Partei forderte ihren Rücktritt, weil sie als Innenministerin zwischen 2009 und 2016 für den Abbau von rund 20.000 Stellen bei der Polizei verantwortlich war.

In Umfragen liegen Mays Tories nur noch knapp vor Labour. Die Premierministerin hat die vorzeitigen Wahlen veranlasst, um sich in den Verhandlungen über den britischen EU-Austritt eine stärkere Position zu verschaffen. (AFP)