Meinung Es wird eng für May

Bis vor wenigen Wochen sah es richtig gut aus für Theresa May, die britische Premierministerin. In den Umfragen lag ihre konservative Partei 20 Prozentpunkte vor der oppositionellen Labour-Partei mit Jeremy Corbyn an der Spitze.

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Mitte April entschied sich May für Neuwahlen, um den satten Vorsprung im Parlament bis 2022 zu sichern. Gut möglich, dass die Regierungschefin diesen Schritt bereut. Denn in den jüngsten Umfragen liegt die 60-Jährige nur noch knapp vor ihrem 68-jährigen Herausforderer. Morgen bei der Wahl könnte es für May eng werden.

Dass sie bei den Briten drastisch an Zustimmung verliert, hat sich die Chefin der Konservativen selbst zuzuschreiben. Als May nach dem Anschlag von Manchester mit vielen toten Kindern und Jugendlichen auf Kritik entgegnete, sie habe als Innenministerin Stellen bei den Sicherheitsbehörden streichen müssen, „damit wir nicht über unsere Verhältnisse leben“, waren viele Wähler entsetzt. Als dann wenige Tage später der nächste Anschlag folgte, ging es mit der Glaubwürdigkeit der Premierministerin weiter bergab. Ihr markiger Spruch „Genug ist genug“ will so gar nicht zu der Tatsache passen, dass sie die politische Verantwortung für 20 000 Polizeistellen trägt, die zwischen 2010 und 2016 gekürzt wurden. Kaum jemand nimmt May ihre Rolle als entschlossene Kämpferin gegen den Terrorismus ab.

Hinzu kommen weitere Fehler. Im Wahlprogramm der Konservativen steht, dass die Bürger für die Pflege im Alter mit dem Erlös aus dem Verkauf ihrer Immobilien zahlen sollen. Ein Aufschrei der Empörung geht durchs Land, weil Hauseigentum für die meisten Briten die wichtigste Absicherung ist. Mays Widersacher Corbyn verunglimpft das Konzept als „Demenz-Steuer“. Wenn der Labour-Chef die Wahl doch verlieren sollte, liegt das an seinem Image als linker Träumer, der alles verspricht, aber nichts bezahlen kann. Effiziente Brexit-Verhandlungen mit der EU trauen die Wähler wohl eher Theresa May zu.