Meinung Realitätsverlust bei Audi
Man muss sich das Ganze einmal auf der Zunge zergehen lassen. Audi-Chef Rupert Stadler ist „persönlich sehr enttäuscht“, weil Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt am Donnerstag mit der Nachricht vorgeprescht ist, dass bei Audi A8- und A7-Modellen eine „unzulässige Abgas-Software“ entdeckt worden ist.
Man drehe doch „jedes Steinchen um“. Ein klarer Fall von Realitätsverlust.
Im Herbst 2015 kam bei der Audi-Mutter der Diesel-Skandal ans Licht. Sehr zeitnah gab es auch bei Audi Verdachtsmomente. Seit März laufen Betrugs-Ermittlungen gegen Audi in den USA. Audi hatte also jede Menge Zeit, öffentlich reinen Tisch zu machen. Geschehen ist genau — nichts.
Erst am Donnerstag, nach der Vorlage von Alexander Dobrindt, legte Audi das nächste kleine Scheibchen auf den Tisch — und zwar so verpackt, dass alles nach einem kleinen technischen Problem aussieht — und nicht nach dem, was es sehr viel wahrscheinlicher ist: eine verbotene Abschalteinrichtung, also Betrug. Dabei handelt es sich um eine Täuschungs-Variante, die bisher im VW-Skandal noch nicht aufgetaucht ist. Das zeigt: Im VW-System wurde sehr systematisch an der Manipulation gearbeitet.
Ungeteilten Beifall verdient aber auch Alexander Dobrindt nicht für seine Offensive. 20 Monate nach Auffliegen der VW-Affäre kommen immer wieder neue Fälle ans Licht. Das spricht nicht eben für die Aufklärungsarbeit des Bundesverkehrsministers. Sein Vorpreschen dient der Symbolik: Seht her, ich greife hart durch.
Es dürfte klar sein, dass die Theorie, nur eine Handvoll Mitarbeiter sei bei VW an der Manipulation beteiligt gewesen, endgültig nicht zu halten ist. Forderungen nach einer Abberufung Stadlers machen nun die Runde. Diese hätte schon deutlich früher erfolgen können und müssen. Stattdessen ist gerade erst im Mai sein Vertrag als Vorstandschef für weitere fünf Jahre verlängert worden, obwohl er schon da unter Beschuss stand. Und das ist ein weiterer Skandal.