Meinung Bei schulischer Inklusion hilft kein Spiel auf Zeit
Unter NRW-Lehrern ist die grundsätzliche Zustimmung zum gemeinsamen Unterrichten von Behinderten und Nichtbehinderten stärker ausgeprägt als im Bundesschnitt. Dafür fallen die Noten für die personelle Ausstattung hier schlechter aus.
Man kann daraus folgern: Was die inhaltliche Überzeugungsarbeit für schulische Inklusion betrifft, hat Rot-Grün nicht alles falsch gemacht, bei der Umsetzung vieles schon.
Aber nicht nur Lehrer wollen mehrheitlich die Inklusion, sondern abgestuft nach Behinderungsformen auch die Eltern, wie die Jako-o-Bildungsstudie im März gezeigt hat. Und sie drücken sogar noch aufs Tempo, fordern kein gemächlicheres, sondern ein entschiedeneres Vorantreiben der Inklusion.
Ein Spiel auf Zeit wird der sich abzeichnenden schwarz-gelben Koalition also nicht helfen. Das liegt nicht nur an dem unbefriedigenden Istzustand, der durch ein schlichtes Innehalten nicht besser wird. Es gibt auch ein grundsätzliches Bedürfnis, klarer erkennen zu können, was das Ziel des Inklusionsprozesses ist. Denn unstrittig ist: Ein nicht geringer Teil der Inklusionsprobleme resultiert daraus, dass mit dem Regel- und Förderschulbetrieb jetzt zwei Systeme um die für die Befriedigung aller Ansprüche viel zu geringe Zahl an Sonderpädagogen buhlen. Wenn beide Systeme auch in Zukunft beibehalten werden sollen, droht auf allen Seiten Unzufriedenheit als Dauerzustand.
7000 zusätzliche Sonderpädagogen seien notwendig, um in NRW die verlässliche Doppelbesetzung in den Inklusionsklassen gewährleisten zu können, sagt der Verband Bildung und Erziehung. Dem stehen nach seinen Angaben nur gut 1000 Hochschulabsolventen jährlich entgegen. Die Kapazitäten auszuweiten, wird angesichts der Hochschulautonomie nicht einfach. Und die Nachqualifizierung des bereits vorhandenen Personals muss attraktiver werden, um die nötigen Lehrer auch dafür gewinnen zu können.
Die Rahmenbedingungen für mehr Fachpersonal zu schaffen und mehr Menschen für die Ausbildung zu begeistern, ist aber nur eine Herausforderung. Am Ende muss es auch die Bereitschaft geben, diese Fachkräfte zu bezahlen. Dann wird sich zeigen, was einer neuen Koalition die Inklusion wirklich wert ist. Wenn sie es hier an Entschiedenheit mangeln lässt, setzt sie die Zustimmung aufs Spiel, die das Thema Inklusion derzeit noch genießt.