Meinung Wie umgehen mit dem digitalen Erbe? - Datenkrake nach dem Tod

Das Urteil des Berliner Kammergerichts ist verstörend. Denn wer um einen geliebten Menschen trauert, wer nach dem Tod des Sohnes, der Tochter oder des Ehepartners von Sorgen und Zweifeln geplagt wird, der muss sich erst Recht ein Bild bewahren können vom Verstorbenen.

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Auch und gerade in der heutigen Zeit, wo vieles nur noch virtuell ist. Selbst wenn es lediglich darum geht, den eigenen Seelenfrieden zu finden.

Das gilt insbesondere für betroffene Eltern. In der realen Welt wird dann oft im Nachlass nach Hinweisen gesucht, oder aber man lässt die Erinnerung über Fundstücke im Schrank aufleben. In der digitalen Welt ist das Stöbern und Nachlesen nach Auffassung des Kammergerichts aber weitgehend nicht gestattet.

Weil das Fernmeldegeheimnis dagegen steht und mitunter der Datenschutz. Wenn dem tatsächlich so sein sollte, und das werden wohl weitere gerichtliche Instanzen endgültig klären müssen, dann muss das Recht geändert werden. Denn der virtuelle Nachlass darf nicht auch noch dem Datenkraken namens Facebook gehören. Das wäre zutiefst unmoralisch.

Bislang löscht der Konzern Benutzerkonten ja nur, wenn ein Nutzer dies vor seinem Ableben beantragt. Oder aber das Unternehmen versetzt nach einer entsprechenden Nachricht die Seite in einen „Gedenkzustand“ mit begrenztem Zugang. Das reicht jedoch nicht aus. Auch wenn Netzwerkauftritte höchstpersönlichen Charakter haben, so finden sie zu Lebzeiten doch halb-öffentlich statt. Sprich: vor einem ausgewählten, aber breiten Publikum.

Außerdem lässt sich das Online-Erbe sicherlich vergleichen mit Fotoalben, Tagebüchern, Briefen oder anderen persönlichen Notizen, an denen die engsten Angehörigen ein legitimes und vertretbares Interesse haben. Das wird ihnen in der „normalen“ Welt zugebilligt, muss also auch in der digitalen Welt möglich sein. Umso mehr, wenn wie im verhandelten Fall der Zugriff hilfreich sein kann, die konkreten Umstände eines Todesfalls aufzuklären.

Justizminister Heiko Maas sollte sich der Sache jetzt annehmen und für rechtliche Klarheit im Sinne der Betroffenen sorgen. Im Moment ist Maas ja durchaus erprobt in der Auseinandersetzung mit Facebook. Aber das Urteil nimmt indirekt nicht nur die Politik, sondern auch jeden Nutzer in die Pflicht. Die wenigsten werden sich schon darüber Gedanken gemacht haben, wie mit ihrem digitalen Dasein nach dem eigenen Tod umgegangen werden soll. In der analogen Welt regelt man die Dinge frühzeitig testamentarisch, wer bekommt das Haus, wer das Geld, und zu welchen Teilen. Gleiches sollte man für den virtuellen Raum planen. Je eher, desto besser: Wer bekommt die Passwörter, wer die Zugangsmöglichkeiten zu Online-Diensten, wer soll später wie mit welchen persönlichen Internetseiten verfahren. Nur so wird die Vergänglichkeit im Netz nicht zur Ausnahme, nur so erbt Facebook schon mal nicht alles. Vorsorge ist auch an dieser Stelle besser als Nachsorge.