Haushaltskompromiss bringt kolossalen Ansehensverlust für Amerikas Politik

Die Regierung bleibt vorläufig liquide. Doch für die Schuldenkrise und den Ansehensverlust der amerikanischen Politik ist kein Ende in Sicht.

Washington. Mehr als Flickwerk, mit dem man für kurze Zeit Schlimmeres abwenden konnte, war es nicht. Dennoch gelang es US-Präsident Barack Obama und der republikanischen Opposition, mit einem Kompromiss in letzter Minute den Stillstand der Regierungsgeschäfte zu verhindern und wenigstens bis Mitte kommender Woche sicherzustellen, dass der öffentliche Verwaltungsapparat liquide bleibt. Dies aber geschah um einen hohen Preis, nämlich einen kolossalen Ansehensverlust für Amerikas Politik.

Noch am späten Freitagabend hatte es ganz anders ausgesehen. 800.00 Bundesbedienstete hatten ihre Schreibtische geräumt und sich auf eine vorläufig unbefristete und vor allem unbezahlte Beurlaubung eingerichtet. Auch in Irak und Afghanistan stationierte Soldaten mussten um ihre Besoldung bangen. Museen entlang der Washingtoner Mall sollten ihre Türen schließen, und selbst die traditionsreiche Kirschblütenparade, die für Samstag angesetzt war, wäre dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Denn es hatte kaum den Anschein, als würden Verhandlungsführer der beiden Parteien bereit sein, von ihren Positionen weitere Abstriche zu machen. Führende Nachrichtensender hatten eine laufende Uhr eingeblendet, die Zuschauer genau wissen ließ, wie lange es noch dauern würde, bis der Regierung das Geld ausgeht. 1 Stunde, 14 Minuten, 32 Sekunden, ....31, Sekunden,....30 Sekunden.......... . Dannn plötzlich die Eilmeldung: John Boehner, der republikanische Fraktionschef im Repräsentantenhaus, werde in wenigen Minuten eine Erkläruing abgeben.

Das Ergebnis des Verhandlungsmarathons, darüber sind sich beide Seiten einig, ist dennoch nichts mehr als ein fauler Kompromiss, mit dem im Wettlauf gegen die Uhr etwas Zeit gewonnen werden konnte. Republikaner hatten darauf bestanden, für das laufende Haushaltsjahr weitere 61 Milliarden Dollar vom Regierungsbudget zu streichen. Demokraten aber wollten nicht mehr als 34 Milliarden einsparen, unter anderem durch die Einfrierung von Beamtengehältern, Etatkürzungen in fast jedem Ministerium und vor allem tiefe Einschnitte bei Sozialleistungen.

Schließlich verständigten sich Obama, Boehner und dessen demokratischer Amtskollege aus dem Senat, Harry Reid, auf knapp 38 Milliarden Dollar an Einsparungen. Auch fand man in dem von Tea Party Vertretern ideologisch getragenen Steit um staatliche Gelder für die Schwangerschaftsberatung einen Mittelweg. So wird die Organisation "Planned Parenthood" weiterhin Zuschüsse aus Washington erhalten, für Abtreibungskliniken aber wird der Geldhahn komplett abgedreht.

Anfang nächster Woche aber gehen die Verhandlungen weiter. Denn mit genügend Geld ausgestattet ist die Regierung nur bis Donnerstag. Bis dahin müssen sich beide Seiten auf einen neuen Haushalt für das Fiskaljahr 2012 einigen, das am ersten Oktober beginnt. Dafür liegt ein "Rahmenwerk" angeblich schon vor.

Schließlich hatte Obama seine Zustimmung zu einer erneuten einwöchigen Übergangsfinanzieung davon abhängig gemacht, dass man zugleich die Weichen stellt für eine langfristige Lösung. Diese aber wird dem angeschlagenen Präsidenten alles andere als gut zu Gesicht stehen. Vorgesehen sind nämlich unter anderem massive Leistungskürzungen bei der staatlichen Krankenversorgung, Kürzungen, die nach Ansicht von Experten Obamas bisher größten legislativen Erfolg, nämlich die historische Gesundheitsreform, faktisch wieder außer Kraft setzen würden.

Das aber ist nicht der einzige Rückschlag für Obama. Wie der ehemalige Regierungssprecher und Bill Clinton Berater David Gergen erklärt, "haben sich sowohl der Präsident als auch die Opposition der Lächerlichkeit preisgegeben. Amerikas politisches System wurde als lächerliches Affentheater enttarnt, das bedeutet einen Imageverlust für unsere Politiker, sowohl gegenüber den Wählern als auch der Weltöffentlichkeit."