Toter und viele Verletzte bei Zusammenstößen in Kairo

Kairo (dpa) - Zum ersten Mal seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak vor zwei Monaten ist bei Zusammenstößen zwischen dem Militär und Demonstranten ein Mensch ums Leben gekommen.

Das Opfer erlag seinen Verletzungen, nachdem die Streitkräfte in der Nacht zum Samstag eine Demonstration militanter Oppositioneller auf dem Tahrir-Platz mit Gewalt aufgelöst hatten. 71 weitere Menschen erlitten Verletzungen, bestätigte das Gesundheitsministerium am Samstag in Kairo. Einige wiesen Schussverletzungen auf. Zunächst hatten Krankenhäuser von zwei Toten berichtet.

Das Militär war im Anschluss an eine Großkundgebung der Demokratiebewegung eingeschritten, als mehrere hundert Demonstranten den Platz nicht räumen wollten. Zuvor hatten am Freitag zehntausende Menschen friedlich für Gerichtsverfahren gegen Mubarak und seine Mitarbeiter demonstriert. Die Opposition wirft den ehemaligen Regime-Größen Korruption und die Tötung von Demonstranten vor.

Das Militär sperrte den Tahrir-Platz, das einstige Zentrum der Proteste gegen Mubarak, am Samstag für den Verkehr. Im Laufe des Vormittags sickerten jedoch wieder hunderte Demonstranten auf den Platz in der Mitte Kairos. Sie entrollten den dort von der Armee gelagerten Stacheldraht, um sich auf eine Dauerbesetzung einzurichten, berichtete ein Fotograf der Fotoagentur epa. Die Sicherheitskräfte schritten vorerst nicht ein.

In der Nacht zum Samstag berichteten Augenzeugen von Straßenschlachten. Die militanten Oppositionellen wehrten sich mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen gegen die Sicherheitskräfte, die Warnschüsse abgaben und Holzknüppel und Tränengas einsetzten. Drei Militärfahrzeuge wurden in Brand gesetzt. Erstmals seit dem Umsturz beteiligten sich auch wieder in größerer Zahl Geheimdienst-Agenten in Zivil am Einsatz gegen die Militanten. Der berüchtigte Inlandsgeheimdienst SSIS war eigentlich im Vormonat aufgelöst worden.

Der seit dem Abtritt Mubaraks regierende Militärrat machte in einer Stellungnahme vom Samstag nicht die Opposition, sondern Kreise der Mubarak-Partei NDP für die Ausschreitungen verantwortlich. Diese hätten am Freitag „zur Gewalt aufgehetzt und die Massen provoziert“. „Die bewaffneten Streitkräfte lassen - weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft - keine Handlungen zu, die der Sicherheit der Bürger und des Landes abträglich sein können. Recht und Gesetz werden entschlossen durchgesetzt“, hieß es in der Stellungnahme.

Die Militärpolizei nahm den eng mit der NDP verbundenen Geschäftsmann Ibrahim Kamel und andere NDP-Mitglieder fest, teilte der Militärrat mit. Kamel soll jene NDP-Schlägertrupps organisiert zu haben, die während der Massenproteste gegen Mubarak die friedlichen Demonstrationen brutal angegriffen hatten. Bei einer dieser Attacken waren sogar Hooligans auf Pferden und Kamelen aufgetaucht.

Das Blutvergießen am frühen Samstagmorgen markierte den ersten direkten Zusammenstoß zwischen Militär und Demonstranten seit dem Sturz Mubaraks. Tote hatte es allerdings seitdem schon bei religiös motivierter Gewalt gegen christliche Kopten gegeben. Bei den Straßenschlachten während der Anti-Mubarak-Proteste waren nach offiziellen Angaben 840 Menschen getötet worden.

Die jüngsten Ausschreitungen zeigen nach Einschätzung von Beobachtern die Spannungen zwischen dem regierenden Militärrat und der demokratischen Opposition. Während die Uniformträger bestimmte Strukturen des alten Regimes bewahren wollen, dringt die Demokratiebewegung auf einen radikalen Bruch mit dem Mubarak-System und seinen Gesetzen, Gewohnheiten und Institutionen.