Hetze gegen Christen in Kairo
Acht Monate nach dem Sturz von Präsident Mubarak regiert Chaos das Land. Die Wut der diskriminierten Kopten steigt.
Kairo. Bilder, die schockieren: Sonderpolizisten jagen friedliche Demonstranten, blutüberströmte Verletzte irren zwischen leblosen Körpern umher, Panzerspähwagen rasen in die Menschenmenge und überrollen Demonstranten.
Die vordergründig religiös motivierten Ausschreitungen am Sonntagabend in Kairo, bei denen mindestens 24 Menschen starben, markieren eine neue Dimension der Gewalt.
Erstmals seit dem Sturz des autoritären Präsidenten Husni Mubarak im Februar heizten die staatlichen Medien einen schwelenden Konflikt durch offene Hetze gegen die religiöse Minderheit der koptischen Christen zusätzlich an.
Es begann zunächst friedlich. Mehrere 100 Kopten wollten vor dem Fernsehgebäude protestieren, weil zehn Tage zuvor ein muslimischer Mob eine Kirche in der oberägyptischen Provinz Assuan niedergebrannt hatte. Dass der Gouverneur von Assuan, Mustafa al-Sajjid, die Zerstörung des Gotteshauses indirekt rechtfertigte, stachelte die Wut der Kopten weiter an.
Die Kirche sei „illegal errichtet“ worden, sagte Al-Sajjid. Tatsächlich bekommen die Kopten, die rund zehn Prozent der Bevölkerung darstellen, so gut wie nie eine Genehmigung dafür, eine neue Kirche zu bauen.
Das Gotteshaus war nicht die erste Kirche, die seit dem Mubarak-Sturz in Flammen aufging. Und es war auch nicht zum ersten Mal, dass die Kopten deshalb vor dem Fernsehgebäude protestieren wollten. Doch diesmal wurden sie von aufgehetzten muslimischen Anwohnern und Jugendbanden mit Steinen beworfen, wie mehrere ägyptische Reporter unabhängig voneinander berichteten.
Einige Kopten — vor allem die Jugendlichen aus dem Armenviertel Schubra — warfen mit Steinen zurück und gingen dabei TV-Bildern zufolge selbst hart vor. Sie griffen Polizisten brutal an. Doch die Sonderpolizei trieb mit äußerster Gewalt ausschließlich die koptischen Demonstranten auseinander. Zwischen den friedlichen Teilnehmern und den Straßenkämpfern aus Schubra machte sie keinen Unterschied.
Das staatliche Fernsehen ging zu offener Hetze über. „Die Kopten haben zwei Soldaten getötet“, verlasen Sprecher. Auf wessen Konto die durch Schüsse getöteten Militärangehörigen gehen, ist freilich noch gar nicht geklärt.
Religiös motivierte Konflikte sind in Ägypten häufig. Von Gleichbehandlung der religiösen Gruppen scheint das Land nach den jüngsten Ausschreitungen nun noch ein Stück weiter entfernt. Der Blogger Issandr El Amrani spricht von einer „bedenklichen Entwicklung“: Die politische Klasse sei in einer Krise, das Vertrauen in den regierenden Militärrat sei auf ein Rekord-Tief gesunken, und die Bevölkerung habe das Chaos satt.