In Israel wächst die Angst vor einer neuen Intifada

Jerusalem/Berlin (dpa) - Die Serie palästinensischer Anschläge und fast tägliche gewalttätige Demonstrationen vor allem in Jerusalem haben in Israel Furcht vor einem neuen Palästinenseraufstand, einer Intifada, geweckt.

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Am Kontrollpunkt Kalandia zwischen Jerusalem und dem Westjordanland brachen neue Unruhen aus. Ein Palästinenser, der drei israelische Soldaten im Westjordanland mutmaßlich absichtlich angefahren hatte, stellte sich den Behörden.

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Der Vorfall vom Mittwochabend hatte sich nur Stunden nach einem ähnlichen Anschlag mit einem Kleinbus in Jerusalem ereignet. Dabei war ein Israeli getötet und 13 weitere Passanten waren verletzt worden. Der palästinensische Fahrer wurde von der Polizei erschossen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und die EU mahnten zu Besonnenheit.

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Das Vorgehen der israelischen Polizei gegen Demonstranten vor allem auf dem Muslimen und Juden heiligen Tempelberg belastet inzwischen auch die Beziehungen Israels zu den wenigen arabischen Nachbarländern, mit denen es diplomatische Beziehungen unterhält. Jordanien beorderte aus Protest gegen Israels „Eskalation“ bereits seinen Botschafter aus Israel zurück.

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Zuvor hatte die islamische Wakf-Behörde, die den Tempelberg verwaltet, den Vorwurf erhoben, israelische Polizisten seien in die Al-Aksa-Moschee eingedrungen. Dies ist Nicht-Muslimen streng verboten. Israel bestritt dies.

Steinmeier forderte von Israel und Palästinensern ein Zeichen gegen die neue Gewalt in Jerusalem. „Die Politik auf beiden Seiten muss jetzt den Mut aufbringen, mit klaren Worten und Taten gemeinsam auf eine Beruhigung hinzuarbeiten“, verlangte Steinmeier. Beide müssten Provokationen aus den eigenen Reihen entgegentreten, bevor sich die „Spirale von Zorn und Vergeltung“ selbstständig mache.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verurteilte die Anschläge und rief zu neuen Friedensanstrengungen auf. „Die heutigen Terroranschläge in Ostjerusalem zeigen auf schmerzhafte Weise, dass ernsthafte Bemühungen für einen tragfähigen Friedensschluss im israelisch-palästinensischen Konflikt unternommen werden müssen“, sagte sie.

Israel erlebt seit Wochen eine Welle der Gewalt. Vor den beiden mutmaßlichen Anschlägen vom Vortag hatte am 29. Oktober bereits ein ein Palästinenser den radikalen Tempelberg-Aktivisten Jehuda Glick niedergeschossen. Eine Woche zuvor war ein Palästinenser in eine Straßenbahnhaltestelle in Ostjerusalem gerast. Zwei Menschen starben, mehrere wurden verletzt, der Attentäter erschossen.

Immer wieder kommt es in Jerusalem und dem Westjordanland auch zu Ausschreitungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. Häufigster Schauplatz ist der Tempelberg. Das Gelände in der Altstadt von Jerusalem mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom wird von Muslimen als „Haram el-Scharif“ (Edles Heiligtum) verehrt. Auch Juden ist die Stätte heilig, weil sie auf dem im Jahre 70 zerstörten zweiten jüdischen Tempel errichtet wurde.

Der Tempelberg wird von Jordanien und der Wakf-Behörde verwaltet. Das Gebet ist dort nur Muslimen erlaubt. Dass radikale Juden dieses Recht auch für sich durchzusetzen versuchen, empfinden viele Palästinenser als Provokation. Sie fürchten, dass Israel schleichend die Kontrolle über den Tempelberg übernehmen wolle.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu versicherte, sein Land habe nicht die Absicht, den Status Quo auf dem Tempelberg zu verändern. Viele Palästinenser trauen ihm aber nicht. Das liegt auch an dem fortgesetzten israelischen Siedlungsbau in Ostjerusalem und im Westjordanland.