Iraks „Wilder Westen“ versinkt im Chaos

Terroristen von Al Kaida ist es gelungen, in ihre einstigen Hochburgen zurückzukehren.

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Falludscha/Ramadi. Die schwarz-weiße Fahne der Al-Kaida-Terroristen weht wieder in den Städten der irakischen Provinz Al-Anbar. Die Rückkehr der Terroristen in den „Wilden Westen“ des Landes ist nicht nur für die überwiegende Mehrheit der Iraker eine Horrornachricht, sondern auch für die US-Armee. Die amerikanischen Truppen hatten in dieser Wüsten-Provinz in den Jahren 2003 bis 2006 mehr Soldaten verloren als in irgendeiner anderen irakischen Provinz.

Durch die Rekrutierung lokaler Bürgerwehren gelang es den Amerikanern damals, die islamistischen Terroristen weitgehend aus Al-Anbar zu vertreiben — jetzt brachten die Al-Kaida-Anhänger Wohnviertel und öffentliche Gebäude unter ihre Kontrolle. Dass sich die extremistischen Sunniten zurückwagen in die Städte Ramadi, Al-Karma und Falludscha hat viel mit dem seit Anfang 2013 tobenden Machtkampf zwischen dem schiitischen Regierungschef Nuri al-Maliki und regierungskritischen Sunniten zu tun.

Athiel al-Nudschaifi, der sunnitische Gouverneur der Provinz Ninive wirft Al-Maliki vor, dieser habe das Chaos in Al-Anbar bewusst provoziert: „Erst hat sich al-Maliki geweigert, die Armee geordnet abziehen zu lassen. Dann verschwanden die Truppen und schauten zu, wie Al-Kaida in die Städte vordringt.“

Neben der Regierungskrise wirkt sich auch die „Islamisierung“ des Bürgerkrieges im benachbarten Syrien negativ auf die Lage im Irak aus. Besonders der Zusammenschluss verschiedener Gruppierungen zu der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) im vergangenen April hat den Terroristen neue Kämpfer und mehr Bewegungsfreiheit beschert. So ist es den ISIS-Terroristen gelungen, sich in mehreren syrischen Ortschaften einzunisten, die vorher von anderen Rebellenbrigaden erobert worden waren. In der Wüste der Provinz Al-Anbar unterhält ISIS mehrere Lager.

Die Ereignisse in Falludscha zeigen, wie verfahren die Lage im Irak zwei Jahre nach dem Abzug der letzten US-Soldaten ist. Der Gouverneur von Al-Anbar bittet Al-Maliki, Truppen zu schicken, um die Terroristen zu vertreiben. Die bewaffneten Stammesangehörigen der Stadt diskutieren derweil, gegen wen sie ihre Waffen zuerst richten sollen: gegen die ISIS-Terroristen im Zentrum oder gegen die Armee, die versucht, von Osten vorzudringen. Sie entschieden sich dafür, die Armee zuerst anzugreifen. Die ISIS-Kämpfer wollen sie sich später vornehmen.