Letzte Rebellenmiliz zieht ab Kampf um Ost-Ghuta vor dem Ende
Damaskus (dpa) - Nach wochenlangen heftigen Angriffen syrischer Regierungstruppen steht die Armee kurz vor der vollständigen Einnahme der hart umkämpften Region Ost-Ghuta.
Am Sonntag stimmte auch die letzte Rebellengruppe einem Abzug zu, wie Staatsmedien und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldeten.
Gegner der Regierung hatten die Region nahe der Hauptstadt Damaskus 2012 erobert. Für die Regierung bedeutet die Einnahme des Gebietes einen weiteren wichtigen Erfolg im Bürgerkrieg. Die Opposition erleidet hingegen die schwerste Niederlage seit dem Verlust der Rebellengebiete der nordsyrischen Großstadt Aleppo im Dezember 2016.
In den vergangenen Wochen hatte die Armee Ost-Ghuta bereits fast vollständig wieder unter Kontrolle gebracht. Rebellen halten sich nur noch in der Stadt Duma auf. Die islamistische Miliz Dschaisch al-Islam und russische Unterhändler einigten sich nun darauf, dass die Kämpfer von dort in den Norden Syriens gebracht werden, wie die Beobachtungsstelle erklärte.
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die Rebellen zögen in die Stadt Dscharablus ab. Diese wird von protürkischen Rebellen kontrolliert. Russische Militärpolizei soll für die Sicherheit der Anwohner Dumas sorgen.
Mehr als sieben Jahre nach Ausbruch des Konflikts beherrschen die Truppen von Präsident Baschar al-Assad und ihre Verbündeten mittlerweile fast alle wichtigen Städte des Landes. Ost-Ghuta ist für die Regierung strategisch bedeutend, weil die Rebellen von hier aus die Hauptstadt bedrohten. Immer wieder feuerten Milizen Granaten auf Damaskus ab. Bis auf ein Gebiet südlich der Hauptstadt ist nun bald das gesamte Umland von Damaskus wieder unter Regierungskontrolle.
Unterstützt von der verbündeten russischen Luftwaffe hatte Syriens Armee Mitte Februar die heftigsten Angriffswelle auf Ost-Ghuta seit Beginn des Bürgerkriegs im März 2011 begonnen. Bilder von Tod und Zerstörung schockten die Welt. Aktivisten warfen der Armee vor, Chlorgas eingesetzt zu haben. Da Ost-Ghuta von der Regierung belagert wurde und kaum Hilfe hineinkam, verschlechterte sich die humanitäre Lage zusehends. Menschen lebten über Wochen ohne Strom und Wasser in Kellern. Den Menschenrechtlern zufolge wurden mehr als 1600 Menschen getötet. Große Teile Ost-Ghutas sind massiv zerstört.
Bereits am Samstagabend hatten die letzten Rebellen ein zweites Gebiet Ost-Ghutas verlassen, in dem sich zuletzt noch bewaffnete Regierungsgegner aufhielten. Die Kämpfer und ihre Familien wurden in die von Rebellen kontrollierte Provinz Idlib im Nordwesten Syriens gebracht.
Die Armee erklärte danach bereits die vollständige „Befreiung“ Ost-Ghutas, obwohl die Verhandlungen in Duma noch liefen. Am Sonntag verbreitete Sana Bilder von Siegesfeiern der Armee in der Region. So hissten Soldaten die syrische Flagge. Das Staatsfernsehen sprach heroisch von einem „Sieg gegen die Terroristen“.
Außer den Rebellen von Dschaisch al-Islam (Armee des Islam) verlassen auch Zivilisten die Stadt Duma. Rund 1300 Menschen sollen in andere Gebiete des Landes gebracht werden, wie die Menschenrechtsbeobachter erklärten. Syrische Oppositionsmedien meldeten, es handele sich dabei vor allem um humanitäre Notfälle. Bereits in den vergangenen Wochen waren mehr als 130.000 Menschen vor der bitteren Not und der Gewalt in Ost-Ghuta geflohen, die meisten von ihnen in Regierungsgebiete. Dort sind die Aufnahmelager längst völlig überfüllt.
Trotz des Erfolgs der Regierungstruppen ist der Bürgerkrieg noch lange nicht beendet. Rebellen kontrollieren weiterhin Gebiete im Norden und im Süden Syriens. Beobachter fragen sich nun, ob Armee und Verbündete bald eine nächste Offensive beginnen. Sie könnte sich gegen die Provinz Idlib im Nordwesten Syriens oder gegen die Region um die Stadt Daraa im Süden des Bürgerkriegslandes wenden.
Die Türkei hat nach der Eroberung der nordsyrischen Region Afrin zudem angedroht, dort ihre Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG fortzusetzen, die große Gebiete im Norden und im Osten Syriens beherrscht. Ankara stuft die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als Terrororganisation ein. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Freitag ein Vermittlungsangebot seines französischen Kollegen Emmanuel Macron empört zurückgewiesen.