Putschversuch Kanzleramtsminister Altmaier: "Der Putsch war Unrecht"

Berlin. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) hat keine Anzeichen dafür, dass das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei in Gefahr sein könnte. Der abgewendete Putschversuch müsse nun zur Versöhnung im Land beitragen, so Altmaier im Gespräch mit unserer Redaktion.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier ist optimistisch.

Foto: Michael Kappeler

Es gebe auch keine Anhaltspunkte für Gefahren in den türkischen Ferienorten.

Herr Minister, der türkische Präsident Erdogan nutzt den Putschversuch offenbar zum Staatsumbau. Ist er der Profiteur?

Peter Altmaier:
Der Putsch war Unrecht. Er hat auch in der Bevölkerung keinerlei Rückhalt gehabt. Jetzt geht es nicht darum, wer profitiert, sondern darum, die rechtsstaatlichen Strukturen in der Türkei zu stärken.

Aber Erdogan spricht von einem "Gottesgeschenk" und führt Säuberungen durch. Macht Ihnen das keine Sorgen?

Peter Altmaier: Wir haben schon vor dem Putschversuch darauf hingewiesen, dass es in den letzten Monaten Entwicklungen in der Türkei gegeben hat, die uns besorgt haben. Insbesondere in Hinblick auf die Pressefreiheit und den Umgang mit der Opposition. Ich hoffe und wünsche mir, dass der abgewendete Putsch am Ende zu einer Versöhnung führt, dass Gräben zugeschüttet und nicht breiter werden. Der Rechtsstaat in der Türkei hat starke und kräftige Wurzeln. So leicht wird er von niemandem beseitigt werden können.

Putschversuch und Säuberungen - Türkei in Aufruhr
17 Bilder

Putschversuch und Säuberungen - Türkei in Aufruhr

17 Bilder


Sie sind Optimist. Das Land scheint doch eher auf dem Weg in die Diktatur zu sein.

Peter Altmaier: Die Türkei hat in den letzten Jahrzehnten eine sehr starke zivilgesellschaftliche Struktur entwickelt. Auch in der Zeit, in der Präsident Erdogan und seine Partei regieren. Es gibt Bürger- und Menschenrechte; es gibt Gruppierungen, die sich für die Demokratie einsetzen. Die Türkei ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern der Region ein Staat mit einer sehr stabilen demokratischen Ordnung. Das darf man nicht übersehen.


Heißt das auch, für Sie ist Erdogan nach wie vor verlässlicher Partner?


Peter Altmaier: Erdogan ist in den letzten Jahren mehrfach demokratisch gewählt worden. Und das mit einer klaren Mehrheit. Die Türkei befindet sich derzeit in einer schwierigen innenpolitischen Situation, weil es in dem Land Spaltungen und Konflikte gibt. Ich hoffe sehr, dass alle Beteiligten ihre Verantwortung für die demokratischen Strukturen beachten und entsprechend handeln.


Welche Folgen könnten die Ereignisse für das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei haben?


Peter Altmaier: Es gibt bislang keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Abkommen in Gefahr sein könnte. Es ist geschlossen worden zwischen der Europäischen Union und dem Land Türkei. Beide Seiten müssen weiterhin ihre Verpflichtungen erfüllen. Das werden sie auch tun.


Wie sicher sind die deutschen Soldaten im türkischen Incirlik?

Peter Altmaier: Ich habe keinerlei Hinweise auf eine Missachtung der Abkommen über die Sicherheit und die Arbeit unserer Bundeswehrsoldaten. Das Verteidigungsministerium ist im ständigen Kontakt mit der Bundeswehr vor Ort. Bislang gibt es keinen Grund, an der Sicherheit der Soldaten zu zweifeln.


Aber es hat von türkischer Seite Besuchsverbote für Abgeordnete gegeben, jetzt der Putschversuch, kein Strom, keine Flüge. Erwägen Sie gegebenenfalls einen Abzug der 240 Soldaten?

Peter Altmaier: Es wäre völlig falsch, jetzt aus der Hüfte heraus über einen Abzug der Soldaten entscheiden zu wollen. Die Verteidigungsministerin hat die Bundeswehr in Incirlik besucht. Die noch bestehenden Probleme werden wir in den nächsten Monaten klären können.


Viele Bürger fragen sich, ob die Türkei noch ein sicheres Reiseland ist. Was raten Sie als Mitglied des Krisenstabs?

Peter Altmaier: Der Krisenstab im Auswärtigen Amt hat von Anfang an die Entwicklung in der Türkei sehr sorgfältig beobachtet. Die Situation in den Ferienorten ist nach unseren Erkenntnissen ruhig. Anhaltspunkte auf Gefährdungen liegen uns nicht vor. Ich bin sehr sicher, dass die Experten im Auswärtigen Amt die weitere Entwicklung mit Blick auf mögliche Reisewarnungen genau beobachten werden.