Nizza-Attentäter soll IS-„Soldat“ gewesen sein
Paris/Nizza/Berlin (dpa) - Der Attentäter von Nizza war nach Angaben einer dem Islamischen Staat nahestehenden Nachrichtenagentur ein „Soldat“ des IS.
Der Angriff mit mindestens 84 Toten und nach neuen Angaben mehr als 300 Verletzten sei eine Folge des Aufrufs der Terrormiliz, Angehörige der Anti-IS-Koalition anzugreifen, berichtete die Nachrichtenagentur Amak. Die Echtheit der Erklärung ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Auch der IS-Radiosender Al-Bajan verbreitete am Samstag die Nachricht und drohte westlichen Staaten mit weiteren Anschlägen.
Nach Vernehmungen von vier festgenommenen Männern aus dem Umfeld des Attentäters sowie dessen Ex-Frau gibt es nach französischen Polizeiquellen Hinweise auf eine Radikalisierung des getöteten Tunesiers. Die Ergebnisse deuteten auf ein „jüngstes Abgleiten in Richtung radikaler Islam“ bei dem 31-Jährigen hin, meldete die Nachrichtenagentur AFP am Samstag. Die Terrormiliz IS habe dabei anscheinend noch keine Rolle gespielt.
Zuvor hatten die französischen Behörden angegeben, keine Hinweise zu haben, dass der Lieferant Mohamed Lahouaiej-Bouhlel in Verbindung mit Islamisten stand. Innenminister Bernard Cazeneuve sagte aber am Samstag, er könne sich sehr schnell radikalisiert haben. Menschen, die für die Botschaften der Terrormiliz zugänglich seien, ließen sich für extrem brutale Aktionen gewinnen, ohne unbedingt dafür ausgebildet worden zu sein, sagte Cazeneuve.
Der Tunesier war während des Feuerwerks zum französischen Nationalfeiertag am Donnerstagabend mit einem Laster in die Menge gerast. Auf der Promenade des Anglais, die am Strand von Nizza entlang führt, konnte er erst nach zwei Kilometern gestoppt werden. 16 Todesopfer konnten bis Samstag nicht identifiziert werden. Zwei Schülerinnen und eine Lehrerin aus Berlin, die in Nizza auf Klassenfahrt waren, galten bis Samstag offiziell als vermisst.
Die Straße war während der Feiern zwar von Streifenwagen der Polizei blockiert. Der Mann sei mit seinem gemieteten 19-Tonnen-Lastwagen aber über den Bürgersteig gefahren. Am Steuer beschleunigte der Mann dann und fuhr Zickzack, um möglichst viele Menschen zu treffen. Er wurde von der Polizei erschossen. Zwischen dem Eindringen in die Zone und dem Ende der Fahrt sollen nur 45 Sekunden vergangen sein.
Insgesamt 303 Menschen seien verletzt worden, teilte das französische Gesundheitsministerium am Samstag mit. Zunächst war von 200 Verletzten die Rede gewesen. Rund 100 Menschen seien mit ihren Verletzungen erst ab Freitag in die Krankenhäuser gekommen, hieß es weiter. Insgesamt befanden sich noch 121 Menschen in Krankenhäusern, 26 von ihnen schwebten in Lebensgefahr, darunter 5 Kinder.
Die Vorsitzende der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, warf der französischen Regierung schweres Versagen vor. In jedem Land der Welt wäre ein Minister mit einer so schrecklichen Bilanz wie Innenminister Cazeneuve zurückgetreten, sagte Le Pen auch mit Blick auf die Opfer der Attentate vom Januar und November 2015 in Paris.
Ein Schweizer Forschungsinstitut widersprach einer Einstufung der Tat als Terrorismus. Es handele sich um einen Amoklauf, schrieb das Basel Institute of Commons and Economics. „Die zahlreichen Amokläufe von europäischen und US-Bürgern in den USA, Frankreich und Belgien sind keine Taten des "internationalen Terrorismus", sondern Einzeltaten ohne eine konkrete politische Forderung oder ein politisches Ziel“, schrieb das Institut. Die Erhebung von „tragischen Amokläufen“ zu politischen Taten ermuntere Nachahmer.
In ganz Frankreich begann am Samstag eine dreitägige Staatstrauer. Präsident François Hollande beriet mit seinem Sicherheitskabinett. Am Montagmittag soll es eine Schweigeminute geben.
Nach Angaben seiner Familie war der Tunesier schon vor seiner Bluttat gewalttätig gewesen. „Er schlug seine Frau, also meine Cousine, er war ein Mistkerl“, berichtete ein Familienmitglied der britischen Zeitung „Daily Mail“. „Er trank Alkohol, er aß Schweinefleisch und er nahm Drogen.“ Der 31-Jährige sei kein Muslim gewesen. Bereits zuvor hatte der Vater berichtet, dass sein Sohn früher wegen psychischer Probleme ärztlich behandelt worden sei.
Unter den Opfern von Nizza sind mehrere Ausländer. Unklar ist das Schicksal der drei vermissten Berlinerinnen. Das Auswärtige Amt hatte am Freitagabend nur bestätigt, dass unter den Verletzten eine Deutsche sei, ging aber generell davon aus, dass sich Deutsche unter den Todesopfern befinden. Berlin gedenkt an diesem Montag mit einem ökumenischen Gottesdienst der Opfer des Anschlags.