Kenyatta als erster Staatschef vor dem Weltstrafgericht
Den Haag (dpa) - Kenias Präsident Uhuru Kenyatta ist als erster Staatschef vor die Richter des Internationalen Strafgerichtshofs getreten. Der 52-jährige nahm in Den Haag auf der Anklagebank des Weltstrafgerichtes an der entscheidenden Sitzung über den gegen ihn angestrengten Prozess teil.
Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach der Präsidentenwahl 2007 in Kenia vorgeworfen, darunter Mord, Vergewaltigung und Deportationen. Über 1000 Menschen wurden damals getötet. Der Prozess droht jedoch, aus Mangel an Beweisen zu platzen.
Die Anklage wirft Kenia vor, den Prozess zu sabotieren und Beweise nicht auszuhändigen. Das Verfahren sollte unbefristet ausgesetzt werden. Die Verteidigung fordert dagegen die Niederschlagung des Verfahrens und Freispruch für den Präsidenten. Kenyatta selbst äußerte sich in der Sitzung nicht. Wann die Richter entscheiden werden, war unbekannt.
In einem dramatischen Appell rief Chefanklägerin Fatou Bensouda die Richter auf, die Anklage aufrecht zu erhalten. „Die Rechte des Angeklagten dürfen nicht über denen aller anderer triumphieren.“
Die Regierung verhindert nach Angaben der Anklage seit Monaten die Ermittlungen. Kontoauszüge Kenyattas und Daten seines Handys würden nicht übergeben. „Die Regierung torpediert den Lauf der Gerechtigkeit“, sagte Ankläger Benjamin Gumpert. Dafür sei der Angeklagte als Staatsoberhaupt „verfassungsrechtlich verantwortlich“.
Die Verteidigung forderte dagegen einen bedingungslosen Freispruch. Es gebe keinerlei Beweise gegen Kenyatta, sagte Verteidiger Stephen Kaye. „Er hat das Recht auf das Urteil: Nichtschuldig.“ Der in einen dunkelgrauen Anzug gekleidete Präsident verfolgte die Sitzung konzentriert.
Ankläger Gumpert räumte ein, dass die Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichten. Aber es gebe deutliche Indizien für dessen Schuld. Neun Zeugen hätten ausgesagt, dass Kenyatta 2007 aktiv an der Planung und Finanzierung der Gewalttaten beteiligt gewesen sei.
Der Anwalt der Opfer, Fergal Gaynor, wies die Richter darauf hin, dass Zeugen eingeschüchtert worden seien. Die Einstellung des Verfahrens wäre nicht gerecht gegenüber den Opfern. „Sie haben ihre Angehörigen verloren, sie wurden vergewaltigt, vertrieben, haben kaum eine Entschädigung bekommen und bisher auch keine Gerechtigkeit.“
Kenyatta war am Morgen begleitet von mehr als 120 Abgeordneten aus Kenia bei dem Gericht eingetroffen. Dutzende Anhänger in traditionellen afrikanischen Gewändern begrüßten ihn. Sie sangen, tanzten und forderten auf Transparenten die „Freilassung des Präsidenten“.
Kenyatta ist der erste Staatschef, der von dem Weltstrafgericht angeklagt ist. Er hatte für den Gerichtstermin die Amtsgeschäfte vorübergehend seinem Stellvertreter William Ruto übergeben. Er wollte als Privatmann vor die Richter treten. Ruto muss sich bereits vor dem Gericht für die Welle der Gewalt in Kenia verantworten. Beide waren damals politische Gegner und sollen verschiedene ethnische Gruppen zur Gewalt aufgehetzt haben.