Klimagipfel ohne Merkel: Verliert Berlin die Schrittmacher-Rolle?
Zum Auftakt in New York ist die Welt versammelt. Das Fehlen von Merkel wird kritisch beobachtet. Doch es gibt auch Lob.
New York. „Keine Verzögerungen mehr“ — das forderten Hunderttausende Demonstranten vor dem Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York. Ihr Protest und auch ihre Wut sollten Druck machen auf die mehr als 100 Staats- und Regierungschefs, die sich auf Einladung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon treffen. Von New York aus sollen die Verhandlungen für einen Weltklimavertrag, der Staaten rund um den Globus verpflichtet, neuen Schwung bekommen.
Für Deutschland ging es vor dem Gipfel vor allem um eine, die nicht dabei ist: Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie besucht stattdessen den Tag der Industrie in Berlin. Ein hoher UN-Diplomat sieht Deutschland deshalb seine Schrittmacher-Rolle in der Klimapolitik einbüßen. Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber, der Merkel berät, hat Verständnis für die Entscheidung der Kanzlerin. „Mehr als positive Stimmungsimpulse für die Klimaverhandlungen werden in New York kaum gelingen“, dämpfte er die Erwartungen.
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), die Merkel im Gespann vertreten, erhielten aus hierarchischen Gründen noch nicht einmal eine Einladung zum Gipfeldinner. Deutschland am Katzentisch. Immerhin: Hendricks hat ein paar konkrete Angebote im Gepäck. So stellt nun auch Deutschland die Finanzierung neuer Kohlekraftwerke im Ausland weitgehend ein.
Denn der staatlichen KfW-Bankengruppe zufolge belief sich die Förderung zwischen 2006 und 2013 auf satte 2,8 Milliarden Euro. Und Subventionen für Kohle — das passt schlecht zum Ausbau von Wind- und Solarenergie im Inland. Dabei hatte es gerade großes Lob von einem Hollywoodstar gegeben. „Ich werde nicht müde, hier in den USA für den deutschen Weg zu werben. Ich finde es toll, wie da die neuen Energien ausgebaut werden“, meint Schauspieler und Gipfelgast Alec Baldwin. „Ich kann den Deutschen nur sagen: Macht weiter so! Und wir müssen es euch nachmachen!“
Doch wegen der Abschaltung von acht Atomkraftwerken — und weil der Preis für den CO2-Ausstoß im EU-weiten Emissionshandel im Keller ist — boomt in Deutschland die Kohleverstromung. Zwei Jahre hintereinander stiegen trotz jährlich mehr als 20 Milliarden Euro Ökostromförderung die Treibhausgas-Emissionen.
Chinas Klimaminister Xie Zhenhua meinte bei einem Klimatreffen in Berlin jüngst süffisant, dass ein Emissionshandel eben nur mit einem vernünftigen Preis funktioniere. China kopiert das Modell in einigen Regionen, hier kann der Staat einfach einen Preis festsetzen, der den CO2-Ausstoß teuer macht und zur Vermeidung animiert. Während China aufwacht, droht in Deutschland das Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasen als 1990 verfehlt zu werden. Derzeit läuft es auf 33 Prozent hinaus. In der EU blockiert vor allem Polen härtere Vorgaben.
Sollten die Verhandlungen für den Weltklimavertrag scheitern, dürfte der Prozess tot sein — und die mehr als 190 Staaten ihren eigenen Klimaschutzweg gehen. Geht der Treibhausgas-Ausstoß ungebremst weiter, rechnen Experten mit einem Temperaturanstieg von bis zu vier Grad bis 2100. Das wäre Neuland, unkontrollierbar. Glaubt Merkel-Berater Schellnhuber, dass es dieses Mal was wird mit dem Weltklimavertrag? „Politische Prognosen sind noch viel schwieriger als Klimaprognosen.“