Koran-Verbrennung: Afghanistans Wut auf Amerika

Alle Entschuldigungen halfen nichts: Nach der Koran-Verbrennung durch US-Soldaten eskaliert die Gewalt.

Kabul. Strenggläubige Muslime würden nicht einmal einen Fetzen Papier wegwerfen, auf dem ein Vers aus dem Koran steht. Für sie ist die Schändung ihres Heiligen Buches eine Todsünde. Dennoch „entsorgten“ Soldaten auf dem US-Stützpunkt Bagram Koran-Exemplare in einem Verbrennungsofen.

Alle Versuche der Schadensbegrenzung konnten die wütenden Proteste nicht stoppen, bei denen gestern mehrere Afghanen ums Leben kamen.

Dabei hatte der Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf, US-General John Allen, sofort den Kniefall vor den Afghanen gemacht. Er wusste, welche Lawine drohte: Nachdem ein Pastor in Florida im Frühjahr 2011 demonstrativ einen Koran verbrannt hatte, löste dies eine Welle der Gewalt mit 23 Toten in Afghanistan aus.

Tagelange Unruhen gab es auch nach einem Medienbericht über eine angebliche Koran-Schändung im US-Gefangenenlager Guantanamo 2005. Als das Magazin den Bericht zurückzog, waren 17 Menschen tot.

Die Koran-Verbrennung in Bagram ist nur das jüngste einer Reihe katastrophaler Ereignisse. Erst vor gut einem Monat tauchte ein Video auf, auf dem US-Marines auf getötete Taliban-Kämpfer urinierten.

Davor machte das „Kill Team“ Schlagzeilen: US-Soldaten, die 2010 mordend durch Afghanistan zogen und die Leichen ihrer zivilen Opfer verstümmelten. Die Liste der Demütigungen ließe sich fortschreiben.

Wie ernst die Koran-Verbrennung in Bagram auch von der US-Regierung genommen wurde, zeigte die Entschuldigung von Verteidigungsminister Leon Panetta. Doch diese verpuffte ebenso wirkungslos wie die Direktive Allens, der all seinen Soldaten bis zum 3. März Nachhilfe beim Umgang mit religiösen Schriften wie dem Koran verordnete.

Gestern weiteten sich die Proteste aus, die Gewalt brach sich Bahn. In mehreren Landesteilen kam es zu Zusammenstößen. In der Provinz Parwan, wo Bagram liegt, griff ein Mob ein Verwaltungsgebäude an. In der Hauptstadt Kabul versammelten sich mit Eisenstangen bewaffnete Aufrührer vor einem gesicherten Gebäudekomplex, in dem Ausländer wohnen.

Steine flogen durch die Luft. Die Menge skandierte „Tod für Amerika“ — und sie rief „Stirb, Karsai“. Präsident Hamid Karsai wird für Verfehlungen der Ausländer immer wieder in Mithaftung genommen.