Kreml hat deutsche Stiftungen im Visier
Moskau geht massiv gegen Nichtregierungsorganisationen vor. Die Bundesregierung ist alarmiert.
Moskau. Eine bisher einmalige Jagd auf „ausländische Agenten“ in Russland betrifft nun erstmals auch deutsche Stiftungen. Die Frage für die Russen ist, inwieweit sie mit westlichem Geld und ihrer Arbeit die politische Entwicklung im Reich des Präsidenten Wladimir Putin beeinflussen.
Der Ex-Geheimdienstchef hatte nach den ersten großen Massenprotesten 2011 und 2012 gegen seine „Dauerherrschaft“ die Daumenschrauben angezogen, wie Menschenrechtler immer wieder warnten. Nun bekommen das erstmals auch deutsche Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu spüren. Berliner Politiker warnen vor einem Schaden für das russisch-deutsche Verhältnis, das bisher als gut galt.
Seit Tagen lähmen Mitarbeiter der russischen Staatsanwaltschaft, der Steuerpolizei und des Justizministeriums die Arbeit von NGO. Nach einem neuen umstrittenen Gesetz müssen sich alle, die von außerhalb Russlands Geld erhalten, als „ausländische Agenten“ registrieren. Mit dem Vorgehen gegen deutsche Stellen, aber auch gegen die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und die Helsinki-Gruppe in Moskau erreichen die Razzien jetzt ein grenzüberschreitendes Ausmaß.
„Das lässt sich nicht anders als Druck bezeichnen“, kritisierte Alexander Tscherkassow von der Menschenrechtsorganisation Memorial am Dienstag. Die auch mit deutschem Geld finanzierte NGO arbeitet Verbrechen der kommunistischen Gewaltherrschaft unter dem Sowjetdiktator Josef Stalin auf. Und sie deckt unter Lebensgefahr für Mitarbeiter Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Konfliktgebiet Tschetschenien im Nordkaukasus auf.
Memorial ist viel „Behördenschikane“ gewöhnt. Doch dass jetzt Mitarbeiter tagelang für die staatlichen Kontrolleure nur Unterlagen kopieren und nummerieren müssen, ist auch für sie neu. Deutsche Stiftungen arbeiten seit Jahren eng mit Memorial zusammen, darunter die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und die Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen.
Der Moskauer KAS-Chef Lars Peter Schmidt ist fassungslos, dass nun in „unserer St. Petersburger Stelle ohne Gerichtsbeschluss mehrere Computer beschlagnahmt wurden“. Das macht unsere Arbeit dort jetzt unmöglich“, kritisierte er. Die Stiftung habe sich stets an Recht und Gesetz in Russland gehalten. CDU-Politiker bestätigten das.
Das Vorgehen sei „völlig inakzeptabel“, sagte der Russland-Koordinator der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff (CDU). Ohne Grund würden Vertreter der Stiftungen zu Staatsanwaltschaften vorgeladen — und gerieten unter Generalverdacht, „ausländische Agenten“ zu sein. Schockenhoff warnte Russland davor, seine Zukunft zu gefährden. Das Land wolle sich doch „weltoffen und modern“ zeigen — auch bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014.