Krieg gegen die Ukraine 300 Tote bei Theater-Angriff - Russland will Westflanke verstärken
Kiew/Brüssel · Beim verheerenden Angriff auf ein Theater in Mariupol starben nach Angaben der Stadt 300 Menschen. Russland will seine Westflanke wegen Nato-Aktivitäten verstärken. Entwicklungen im Überblick.
Tag 30 im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine - das sind die wichtigen Ereignisse zur Stunde im Überblick.
Stadtverwaltung: 300 Tote bei Theater-Angriff in Mariupol
Noch immer ist nicht geklärt, was mit Hunderten Menschen passiert ist, die sich in Kellern des Theaters von Mariupol vor russischen Angriffen in Sicherheit gebracht hatten. Ukrainischen Angaben zufolge harrten dort mehr als 1000 Menschen aus, als das Gebäude bei einer Attacke komplett zerstört wurde.
Die Stadtverwaltung von Mariupol teilt nun unter Berufung auf Augenzeugenberichte mit, dass etwa 300 Menschen getötet worden seien.
Für die Evakuierung von Zivilisten aus der von russischen Truppen belagerten Hafenstadt Mariupol stehen indes zahlreiche Fahrzeuge im nahe gelegenen Berdjansk bereit. „Gerade befinden sich dort 48 Busse“, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk in einer Videobotschaft.
Für die weitere Flucht sei mit der russischen Seite ein Korridor bis in die Großstadt Saporischschja vereinbart. Darüber hinaus gebe es eine Vereinbarung über eine weitere Fluchtroute vom russisch besetzten Melitopol nach Saporischschja.
Moskau: 1351 russische Soldaten getötet
Nach Angaben des russischen Generalstabs sind in der Ukraine 1351 russische Soldaten getötet worden. Bei der „Spezialoperation“ seien zudem 3825 Soldaten verletzt worden, teilte das Militär der Agentur Interfax zufolge in Moskau mit. Es waren die ersten offiziellen Zahlen seit Anfang März, als die Zahl mit 498 getöteten Soldaten angegeben worden war. Experten gehen allerdings von Tausenden toten russischen Soldaten aus.
Russland will Westflanke verstärken
Russland will als Reaktion auf die Nato-Aktivitäten vor seinen Grenzen seine Westflanke militärisch stärken. An der Ostflanke der Nato habe sich eine gewaltige Gruppierung gebildet, „eine mächtige militärische Infrastruktur, eine Verteidigungsstruktur der Nato“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte laut Peskow Verteidigungsminister Sergej Schoigu bereits zu Schritten für eine Verbesserung der Verteidigungslinie aufgefordert - noch vor den jüngsten Ankündigungen der Nato, ihre Präsenz im Osten weiter zu verstärken.
Nach Darstellung von Peskow soll Schoigu Putin konkrete Vorschläge machen. „Nicht wir haben uns in die Richtung der Nato bewegt, sondern die Nato hat sich in unsere Richtung bewegt und dadurch eine Gefahr für uns erzeugt, die unsere Besorgnis auslöst“, sagte Peskow mit Blick auf die vergangenen Jahre - noch vor dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine am 24. Februar.
Kreml: Ausschluss aus G20 wäre „nicht fatal“
Der Kreml hat demonstrativ gelassen auf Forderungen reagiert, Russland aus der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer auszuschließen. „Das G20-Format ist wichtig“, zitiert die Agentur Tass Peskow. Allerdings sei ein Ausschluss „nicht fatal“ - derzeit führten ohnehin die meisten G20-Mitglieder einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Moskau sei bereit, sich an den Sitzungen zu beteiligen, wolle aber nun auch neue Kontakte und Beziehungen aufbauen.
Die USA versuchten auf aggressive Weise, Russland zu isolieren, sagte Peskow. „Bisher war diese Linie nur teilweise effektiv, die Welt ist vielfältiger, es gibt nicht nur die USA und die europäischen Länder.“ Viele Staaten hätten eine deutlich ausgewogenere und nüchternere Haltung, sie stellten Fragen und führten echten Dialog, ohne Russland abzuschneiden.
US-Präsident Joe Biden hatte sich am Vortag für einen Ausschluss Russlands aus der G20 ausgesprochen. Mit China ist allerdings auch mindestens ein Land Mitglied, das als Verbündeter Russlands gilt. Auch die Bundesregierung hält einen Ausschluss für unrealistisch.
Johnson zu Brexit-Vergleich: Bin missverstanden worden
Der wegen eines Vergleichs zwischen dem Freiheitskampf der Ukrainer und dem Brexit-Votum in die Kritik geratene britische Premier Boris Johnson sieht sich missverstanden. Er stimme vollkommen zu, dass der Brexit und der Widerstand der Ukraine gegen die russische Invasion nicht dasselbe seien, sagte Johnson der BBC. „Das war keine Parallele, die ich da gezogen habe. Ich fürchte, das wurde heftig missverstanden“, beteuerte er.
Bei der Frühjahrskonferenz seiner Konservativen Partei hatte Johnson gesagt: „Ich weiß, dass es der Instinkt der Menschen in diesem Land ist wie auch der Menschen in der Ukraine, immer die Freiheit zu wählen.“ Als Beispiel nannte er unter anderem das knappe Votum der Briten für den EU-Ausritt im Jahr 2016 mit 52 Prozent der Stimmen.
„Als die Menschen in so großer Zahl für den Brexit stimmten, taten sie das meiner Meinung nach nicht, weil sie feindselig gegenüber Ausländern waren, sondern weil sie frei sein wollten“, so der Premier und fügte nach einer Pause hinzu: „...Dinge anders zu tun und in der Lage zu sein, in diesem Land selbst zu bestimmen“.
Kiew: Seit Kriegsbeginn 135 Kinder getötet
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor rund einem Monat sind Angaben aus Kiew zufolge bereits 135 Kinder getötet worden. Mehr als 180 Kinder seien verletzt worden, teilt die Generalstaatsanwaltschaft mit. Die meisten Kinder und Jugendlichen seien in der Region Kiew sowie in den ostukrainischen Regionen Charkiw und Donezk ums Leben gekommen. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Die Staatsanwaltschaft spricht zudem von mehr als 560 zerstörten Bildungseinrichtungen, mehr als 70 davon seien vollständig zerstört.
300.000 ukrainische Haushalte ohne Gas und Wärme
Rund 300.000 Haushalte in der Ukraine müssen nach Angaben des größten Energieversorgers im Land derzeit ohne Gas und Wärme auskommen. „Wir sichern eine relativ stabile Gasversorgung in großen Teilen des Landes - aber mit Ausnahmen wie im belagerten Mariupol oder Charkiw“, sagt der Vorstandsvorsitzende von Naftogaz, Jurij Witrenko, „Zeit Online“. Es sei unmöglich, in Mariupol noch etwas zu reparieren.
Von insgesamt rund 30 Millionen Haushalten seien 300.000 von der Versorgung mit Gas und Wärme abgeschnitten. Witrenko forderte, dass der Westen seine Zahlungen für russisches Gas und Öl auf ein Treuhandkonto überweist und die Gelder nur freigibt, wenn Russland sich aus der Ukraine zurückzieht.
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