Überblick zum Krieg in der Ukraine USA bilden Ukrainer in Deutschland aus - Weitere Leichen nahe Butscha entdeckt
Kiew/Moskau · Während die Verhandlungen stocken, übersät Russland den Osten der Ukraine weiter mit Bomben und Raketen. Die USA starten mit der Ausbildung der Ukrainer an schweren Geschützen - auf deutschem Boden.
Während die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland nur schleppend verlaufen, werden die Gefechte mit aller Härte fortgesetzt. Beide Seiten berichteten von militärischen Erfolgen im heftig umkämpften Osten des Landes. Die russische Seite gab an, mehr als 380 ukrainische Militärobjekte getroffen zu haben. Die Luftwaffe habe etwa in der Nacht vier Munitionslager und ein Kraftstoffdepot zerstört, teilte das russische Verteidigungsministerium am Samstag in Moskau mit. Zudem seien 120 ukrainische Kämpfer «vernichtet» worden. Überprüfbar waren diese Angaben nicht.
Der ukrainische Generalstab bestätigte am Samstag zwar neue Angriffe russischer Truppen - allerdings seien diese erfolglos geblieben. Es gebe an mehreren Stellen Versuche der russischen Streitkräfte, ins Landesinnere vorzustoßen. Allerdings würden die Attacken abgewehrt. In den umkämpften Gebieten Luhansk und Donezk im Osten seien 14 Angriffe abgewehrt worden. Die ukrainischen Streitkräfte hätten elf Panzer, neun Drohnen und sieben Artilleriesystem vernichtet. Die ukrainische Armee sprengte zudem eine Eisenbahnbrücke im Gebiet Donezk, wie die «Ukrajinska Prawda» schrieb. Dabei sei ein russischer Güterzug getroffen worden. Der Weg mit der Bahn in die Stadt Lyman im Epizentrum der Kämpfe in der Ostukraine sei damit zerstört.
Russland muss laut Geheimdienstangaben Streitkräfte neu aufstellen
Russland ist nach Angaben der britischen Geheimdienste gezwungen, seine Streitkräfte im Nordosten der Ukraine nach gescheiterten Vorstößen neu aufzustellen. Dies geht aus einem Bericht hervor, den das Verteidigungsministerium in London veröffentlichte. Das russische Militär habe erschöpfte Einheiten aus den gescheiterten Vorstößen zusammenlegen und umgruppieren müssen. «Viele dieser Einheiten leiden wahrscheinlich unter einer geschwächten Moral.» Defizite bei der taktischen Koordination bestünden weiter.
Unklar blieb weiter die Lage um das Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol. In den Bunkeranlagen der Industriezone sollen sich nach russischen Angaben rund 2500 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt haben. Der Ukraine zufolge warten dort vor allem 1000 Zivilisten auf ihre Rettung, darunter auch Kinder. Kiew und Moskau hatten sich unter Vermittlung von UN-Generalsekretär António Guterres bereiterklärt, eine humanitären Korridor für die Flucht der Zivilisten einzurichten. Ergebnisse lassen jedoch auf sich warten.
Lawrow mit weiteren Vorwürfen
Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf dem westlichen Militärbündnis in einem Interview der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua vor, das Ende der «Spezialoperation» - wie Moskau den seit mehr als zwei Monate dauernden russischen Angriffskrieg nennt - durch Waffenlieferungen und politische Vereinbarungen zu verhindern. Die Gespräche würden durch «militante Rhetorik und hetzerische Aktionen der westlichen Unterstützer von Kiew» behindert.
Im arabischsprachigen Sender Al-Arabija warnte Lawrow, Russland kenne die Routen, über die die Ukraine aus dem Westen Waffen bekomme. Die Waffen sollten nun Ziel werden, «sobald sie das Territorium der Ukraine erreichen». Er sagte aber auch, dass sich Russland nicht im Krieg mit der Nato sehe. Sein Land drohe nicht mit Atomwaffen, westliche Medien übertrieben bei diesem Thema. «Wir «spielen» nicht mit einem Atomkrieg», sagte er.
Russland will die Verhandlungen mit der Ukraine laut Lawrow fortsetzen. Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einem Bericht der Zeitung «Ukrajinska Prawda» mit einem Abbruch gedroht. Er forderte direkte Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir Putin, wozu Russland bislang nicht bereit ist. Die Verhandlungen hatten vier Tage nach der russischen Invasion am 24. Februar begonnen.
Söder wirft Scholz vor, „peinliche Figur“ Deutschlands vor
Der Krieg in der Ukraine stand auch im Mittelpunkt eines Parteitags der CSU in Würzburg. CSU-Chef Markus Söder warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der Ampel-Koalition eine zögerliche Haltung vor. «Deutschland macht seit Wochen eine peinliche Figur», kritisierte er. CSU-Generalsekretär Stephan Mayer sagte über Scholz, es brauche in dieser Lage einen Kapitän «und nicht nur einen Leichtmatrosen».
Über den Krieg beriet auch ein kleiner Parteitag der Grünen in Düsseldorf. Parteichef Omid Nouripour verteidigte die militärische Unterstützung der Ukraine, erklärte aber zugleich: «Wir werden immer Friedenspartei bleiben.» Als Regierungspartei schauten die Grünen der Realität ins Gesicht. Das bedeute keinen Abschied vom Bemühen um friedliche Konfliktlösungen. Der Einsatz von Militär dürfe nur «ein aller-, allerletztes Mittel» sein. Die Lage in der Ukraine zwinge die Grünen nun, Dinge zu tun, die sie vor einigen Wochen nicht getan hätten, darunter die Lieferung schwerer Waffen.
Nahe Butscha weitere Leichen entdeckt - Polizeichef spricht von Folter
Unweit des Kiewer Vororts Butscha sind ukrainischen Angaben zufolge drei weitere Leichen von Zivilisten gefunden worden. Russische Soldaten hätten die Männer vor ihrem Tod gefoltert, schrieb der Polizeichef des Kiewer Gebiets, Andrij Njebytow, am Samstag auf Facebook. Die Leichen wiesen etwa Schusswunden an den Ohren auf und seien teils gefesselt und geknebelt gewesen. Sie seien in einem Waldstück nahe des Dorfs Myrozke verscharrt gewesen und erst am Freitag entdeckt worden. Bereits kurz nach dem Abzug russischer Truppen vor knapp einem Monat hatten in Butscha Funde von Hunderten getöteten Zivilisten weltweit für Entsetzen gesorgt.
Teile des nordukrainischen Gebiets um die Hauptstadt Kiew waren nach Russlands Einmarsch in die Ukraine Ende Februar knapp einen Monat lang von der russischen Armee besetzt. Moskau weist vehement zurück, die Schuld am Tod der Zivilisten in Butscha und anderen ukrainischen Gebieten zu tragen. Die Ukraine hingegen wirft Russland Kriegsverbrechen und gezielte Massaker an wehrlosen Menschen vor.
Irritationen um Selenskyjs Angaben zu Massengrab
Selenskyj hat in einem Interview von einem neuen Massengrab mit 900 Toten im Kiewer Gebiet gesprochen. Sein Sprecher und die Polizei dementierten. „Zum Stand 29. April sind insgesamt 1187 Leichen von Opfern der russischen Armee im Gebiet Kiew entdeckt worden, wahrscheinlich meinte der Präsident diese Gesamtziffer, als er von über 900 sprach“, hieß es in einem Kommentar der Polizei des Gebiets Kiew. Auch Präsidentensprecher Serhij Nykyforow betonte in der Onlinezeitung „Ukrajinska Prawda“, dass der Präsident die Gesamtzahl gemeint habe.
Nach dem Abzug russischer Truppen vor knapp einem Monat hatten Funde von teils gefesselten erschossenen Zivilisten vor allem in dem Kiewer Vorort Butscha weltweit für Entsetzen gesorgt. Moskau wies alle Anschuldigungen zurück.
IAEA: Russische Nuklearspezialisten in Saporischschja
Russische Behörden haben Nuklearspezialisten in das ukrainische Atomkraftwerk im südöstlich gelegenen Saporischschja geschickt. Die acht Vertreter von Rosenergoatom, das zum russischen Staatskonzern Rosatom gehört, fordern von der Stationsleitung tägliche Berichte zu „vertraulichen Fragen“ in Bezug auf den Betrieb des AKW, heißt es in einer Erklärung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unter Berufung auf ukrainische Behörden.
Demnach wird das Kernkraftwerk weiterhin von ukrainischem Personal betrieben, aber von russischen Streitkräften kontrolliert. Russische Truppen hatten die Anlage am 4. März besetzt. Weiterhin werde die Kommunikation zur Anlage in Tschernobyl schrittweise wiederhergestellt, so die IAEA.
Eisenbahnbrücke im Osten gesprengt
Die ukrainisch Armee hat eine Eisenbahnbrücke im Gebiet Donezk gesprengt. Dabei sei ein russischer Güterzug getroffen worden, wie die „Ukrajinska Prawda“ schrieb. Nach Angaben des Onlineportals „Hromadske“ war unklar, ob es sich um Güterwaggons oder Kesselwagen handelte.
Bei der zerstörten Brücke handelte es sich nach Angaben der Zeitungen um eine Verbindung über den Fluss Siwerskyj Donez zwischen den Orten Lyman und Rajhorodok im Osten der Ukraine. Die Eisenbahnverbindung nach Lyman, das im Epizentrum der Kämpfe in der Ostukraine liege, sei damit zerstört.
USA trainieren ukrainische Soldaten
Die USA bilden in Deutschland und an anderen Standorten ukrainische Soldaten im Umgang mit militärischer Ausrüstung aus. Der Sprecher des US-Verteidigungsministers, John Kirby, sagte, das Training auf deutschem Boden habe bereits begonnen. Es gehe unter anderem um den Umgang mit Haubitzen und anderen Waffensystemen, die Kiew zur Unterstützung im Krieg gegen Russland bekomme.
Die USA statten die Ukraine im großen Stil mit Waffen und Munition aus, um das Land im Krieg gegen Russland zu unterstützen.
Mützenich wirbt für diplomatische Initiativen
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die Bundesregierung aufgefordert, mit diplomatischen Initiativen auf Länder zuzugehen, die Russland bislang etwa aus ökonomischen Gründen unterstützen. „Ganz entscheidend ist, dass strategische Partner Russlands sich von Putin abwenden. 45 Staaten haben den russischen Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt, darunter fünf Atommächte“, erklärte Mützenich in der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag). „Putins Regierung muss isoliert werden. Und das müssen wir durch Gespräche in den Ländern erreichen.“ Beispielsweise wolle Indien große Gasmengen aus Russland kaufen. Auch China sei ein wichtiger Unterstützer Russlands. Ebenso Brasilien, Südafrika und andere Staaten.
Melnyk spricht beim Bundespresseball
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat den deutschen Medien beim Bundespresseball ausdrücklich für ihre Berichterstattung über den Krieg Russlands gegen sein Heimatland gedankt. „Umso mehr finde ich es schade, dass viele Politiker hauptsächlich durch ihre Abwesenheit glänzen. Doch wenn sie hoffen, dass sie dadurch kritischen Fragen entgehen, dann irren sie sich“, sagte Melnyk am Freitagabend bei der Eröffnung des Balls. Der Ball wurde in diesem Jahr als Zeichen der Solidarität mit der Ukraine präsentiert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie mehrere Minister hatten ihre Teilnahme am „Solidaritätsball“ abgesagt.