Kurden hoffen nach US-Luftschlägen auf Sieg im Irak
Washington/Erbil (dpa) - Nach den ersten US-Luftangriffen auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hoffen die Kurden im Nordirak auf ein Ende des Vormarsches der Dschihadisten.
Bei den Luftschlägen seien Ausrüstung und Waffen der Extremisten erfolgreich zerstört worden, sagte US-Präsident Barack Obama in Washington vor der Abreise in einen zweiwöchigen Urlaub. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurden bei den Bombardements sowie Angriffen der irakischen Armee und der kurdischen Peschmerga-Kämpfer Dutzende IS-Kämpfer getötet.
Auf einen Zeitrahmen für etwaige weitere US-Luftangriffe legte sich Obama nicht fest. Erneut drang der Präsident auf die Bildung einer Regierung im Irak, die die religiöse und gesellschaftliche Vielfalt im Land widerspiegele. Dies sei vordringlich. Nur so könne langfristig die Krise im Irak gelöst werden. „Wir können das nicht für sie erledigen, unser Militär kann es nicht für sie erledigen“, sagte Obama. Am Sonntag will das irakische Parlament über die Regierungsbildung beraten. Bislang war eine Einigung am Streit der politischen Blöcke gescheitert.
US-Kampfflugzeuge hatten am Freitag in zwei Angriffswellen Stellungen der Terrormiliz in der Nähe der Stadt Erbil geflogen. Dabei kamen neben F-18-Jets eines Flugzeugträgers auch Predator-Kampfdrohnen zum Einsatz. Die US-Regierung begründet die Luftangriffe mit dem Ziel, eigene Landsleute im Irak zu schützen sowie den Vormarsch der IS-Extremisten und die Verfolgung christlicher und anderer Minderheiten zu stoppen.
Bei der humanitären Hilfe für die nordirakischen Jesiden, die vor den Gräueltaten der Terrroristen in das Sindschar-Gebirge geflüchtet waren, hätten der französische Präsident François Hollande und der britische Regierungschef David Cameron in Telefonaten Unterstützung zugesagt, berichtete Obama. Laut US-Außenministerium haben US-Flugzeuge bis Samstagnachmittag mehr als 36 000 Packungen Fertigessen und Behälter mit mehr als 31 000 Liter Wasser abgeworfen.
Großbritannien schickte nach Angaben von Entwicklungshilfeministerin Justine Greening zwei Transportflugzeuge mit Hilfsgütern auf die Reise. Darunter seien Trinkwasser, Zelte und Solarzellen unter anderem zum Aufladen von Mobiltelefonen. Frankreich werde in den nächsten Stunden eine erste Lieferung mit Hilfsgütern auf den Weg bringen, berichtete der Elysée-Palast nach einem Telefonat Hollandes mit dem Präsidenten der kurdischen Autonomiegebiete, Massud Barsani. Obama und den USA sicherte Hollande die volle Unterstützung Frankreichs zu.
Die von den sunnitischen Extremisten als Ungläubige verfolgten Jesiden waren mehrere Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten, bevor US-Maschinen in der Nacht zum Freitag erste Hilfslieferungen abwarfen. Kurdische Medien berichteten, dass IS-Extremisten auf Flüchtlinge schossen, die versuchten, das Gebirgsmassiv in Richtung Syrien oder Kurdistan zu verlassen. Nach örtlichen Medienberichten konnten Peschmerga-Soldaten inzwischen 10 000 Jesiden durch einen Schutzkorridor in Sicherheit bringen.
Nach Angaben des Zentralrats der Jesiden in Deutschland warten aber noch 200 000 Angehörige der Religionsgemeinschaft in ihren Dörfern in der Region Sindschar auf Hilfe. Mehrere Tausend Jesiden demonstrierten am Samstag in Bielefeld gegen die IS-Gräuel im Nordirak. „Das ist kein Krieg sondern Völkermord“, „Stoppt IS“, stand auf Plakaten. Die Demonstration verlief zunächst friedlich.
Laut einem aktuellen UN-Bericht beherbergt die kurdische Autonomieregion im Nordirak mittlerweile über 600 000 Flüchtlinge. 380 000 Iraker sind seit den Angriffen des Islamischen Staates in die weitestgehend stabile Region im Norden des Landes geflohen; hinzu kommen rund 230 000 Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg.
Nach UN-Angaben sind allein seit Montag rund 200 000 Menschen vertrieben worden, rund 40 000 davon aus Kirkuk. Die meisten stammten aus christlichen und jesidischen Dörfern. Weiterhin seien noch Tausende vornehmlich jesidische Familien im irakischen Sindschar-Gebirge eingeschlossen. Die UN-Mission im Irak schätzt deren Zahl auf 15 000 bis 55 000.
Bewaffnete kurdische Gruppen bilden derweil junge Männer und Frauen für den Kampf gegen die sunnitischen Extremisten an der Waffe aus. Die Ko-Vorsitzenden des Kurdischen Nationalkongresses, Nilüfer Koc, sagte der Nachrichtenagentur dpa am Samstag, es gehe darum, dass die Menschen in ihren Dörfern blieben und ihr Land verteidigten.
„Die IS-Miliz arbeitet mit psychologischer Kriegsführung: Sie verbreitet Furcht, schüchtert die Bevölkerung ein. Und wenn die Menschen fliehen, greift sie an. Hier setzt die Strategie zum Widerstand an“, sagte Koc. Nach ihren Angaben kämpfen im Nordirak neben Peschmerga und den lokalen Milizen inzwischen auch Angehörige der in der Türkei verbotenen PKK sowie der kurdischen PYD-Kräfte aus Syrien gegen die sunnitischen Extremisten.