Nach Ausweisung von Diplomaten Maas will Dialog mit Russland trotz Skripal-Affäre

Moskau/London/Berlin (dpa) - In dem schweren internationalen Konflikt zwischen Russland und dem Westen hat Bundesaußenminister Heiko Maas die deutsche Bereitschaft zum Dialog mit Moskau betont.

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„Durch das russische Verhalten der letzten Jahre ist ohne Zweifel viel Vertrauen verloren gegangen. Gleichzeitig brauchen wir Russland als Partner, etwa für die Lösung regionaler Konflikte, für Abrüstung und als wichtige Stütze der multilateralen Ordnung“, sagte der SPD-Politiker der „Bild am Sonntag“. „Wir sind deshalb offen für den Dialog und setzen darauf, das Vertrauen wieder Stück für Stück aufzubauen, wenn Russland dazu auch bereit ist.“

Der ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und außenpolitischer Berater des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl, Horst Teltschik, zog die deutsche Bereitschaft zum Gespräch mit Russland in Zweifel. „Das ist etwas, das heute ständig angekündigt wird, dass der Dialog fortgesetzt werden soll. Aber er findet nicht statt“, kritisierte er am Sonntag im Deutschlandfunk. Die Nato habe ebenfalls erst russische Verbindungsoffiziere ausgewiesen und dann angekündigt, den Nato-Russland-Rat einzuberufen. „Warum hat man das nicht sofort gemacht?“, fragte Teltschik. Seiner Ansicht nach sollte auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) dazu genutzt werden, um die Eskalationsspirale zu stoppen.

Aus Ärger über die Vergiftung des russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien haben rund 25 Staaten und die Nato etwa 140 russische Diplomaten ausgewiesen. Sie machen Russland für die Attacke verantwortlich, bei der angeblich ein in der Sowjetunion entwickelter chemischer Kampfstoff eingesetzt wurde. Mass verteidigte den Schulterschluss der Europäer: „Aus Solidarität mit Großbritannien, aber auch als Signal der Geschlossenheit.“

Moskau reagierte am Donnerstag und Freitag und wies ebensoviele Diplomaten aus. Weil Berlin vier Russen zu unerwünschten Personen erklärt hat, müssen auch vier Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau Russland verlassen. Einer der betroffenen Deutschen ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur der Heeresattaché der Botschaft, der für die Kontakte mit den russischen Militärs zuständig ist. Außerdem sollen je ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamts (BKA) und des Bundesnachrichtendienstes (BND) betroffen sein. Eine BKA-Sprecherin sagte, es sei kein BKA-Mitarbeiter ausgewiesen worden.

In Moskau trafen am Sonntag zwei Flugzeuge mit 60 ausgewiesenen russischen Vertretern aus den USA ein. Ein Sonderflug aus Washington brachte 46 Diplomaten und deren Familien zurück nach Moskau. Mit einer zweiten Maschine kamen 14 Diplomaten des Generalkonsulats und der russischen UN-Vertretung in New York zurück in die Heimat.

Russland hat jede Verwicklung in den Fall Skripal bestritten. Trotzdem sprach der britische Verteidigungsministers Gavin Williamson davon, die Welt habe „eine neue Ära der Kriegsführung betreten“. Der russische Präsident Wladimir Putin versuche, andere Länder zu unterminieren. Der Anschlag auf Skripal sei eine „kaltblütige, chemische Attacke“ gewesen und Putins Verhalten „bösartig“, schrieb Williamson in der Zeitung „Sunday Telegraph“. „Wir sollten nicht vergessen, dass das der erste offensive Gebrauch eines Nervengifts in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg war.“

Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank im südenglischen Salisbury entdeckt worden. Moskau pocht unter anderem darauf, Kontakt zu Julia Skripal zu bekommen, der es inzwischen deutlich besser geht. Ein Sprecherin des britischen Außenministeriums sagte, man denke darüber nach. Es müssten aber auch gesetzliche Vorgaben und die Wünsche der Frau berücksichtigt werden. Sergej Skripal befindet sich weiter in einem kritischen Zustand.

Unterdessen gibt es immer mehr Klagen von Geschäftsleuten in Salisbury über finanzielle Einbußen seit dem Anschlag. Etliche Touristenbusse halten nicht mehr in der Kleinstadt an, die wegen ihrer Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert bekannt ist. Viele Geschäfte haben geschlossen. Die Ermittlungen werden noch Monate dauern.