Vertrauter Aung San Suu Kyis Myanmars Präsident tritt zurück
Rangun (dpa) - Inmitten internationaler Kritik wegen der Verfolgung von Muslimen hat Myanmars Friedensnobelpreisträgerin und Regierungschefin Aung San Suu Kyi einen ihrer engsten Vertrauten verloren.
Der Präsident des südostasiatischen Staats, Htin Kyaw, trat am Mittwoch überraschend zurück. Der 71-Jährige hatte seit März 2016 das höchste Staatsamt inne - als erster Zivilist seit mehr als einem halben Jahrhundert.
Wegen einer umstrittenen Verfassungsklausel kann Suu Kyi selbst nicht Präsidentin werden. Sie führt mit dem Titel einer „Staatsrätin“ die Regierung. Das Militär hat allerdings weiterhin großen Einfluss.
Der Rücktritt wurde über das Facebook-Konto des Präsidialamts bekanntgegeben. Zur Begründung hieß es in einer kurzen Erklärung lediglich, der Präsident nehme eine „Auszeit von seinen gegenwärtigen Pflichten/seiner Arbeit“. In der Vergangenheit wurde mehrfach über Kyaws Gesundheitszustand spekuliert. Als möglicher Nachfolger gilt der bisherige Sprecher des Unterhauses, Win Myint. Er kommt ebenfalls aus den Reihen von Suu Kyis Nationaler Liga für Demokratie (NLD).
Der Abgang ihres Vertrauten trifft die Regierungschefin in einer Phase, in der sie international massiv in der Kritik steht. Wegen des brutalen Vorgehens von Myanmars Armee gegen die muslimische Minderheit der Rohingya gibt es immer wieder auch Forderungen, ihr den Nobelpreis abzuerkennen. Seit vergangenem Sommer sind etwa 700 000 Muslime aus dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar ins Nachbarland Bangladesch geflohen. Viele von ihnen leben dort unter katastrophalen Bedingungen. Trotzdem traut sich kaum jemand zurück.
Die Vereinten Nationen bezeichnen das Vorgehen der Militärs als „ethnische Säuberung“. Nach Berichten von Hilfsorganisationen gab es Tausende Tote. Suu Kyi hat dazu lange geschwiegen. Inzwischen rechtfertigt sie das Vorgehen mit der Bedrohung durch Terrorismus. Die einstige Oppositionsführerin, die zu Zeiten der Militärdiktatur 15 Jahre unter Hausarrest stand, ist auf die Unterstützung der Armee angewiesen. In ihrem Kabinett besetzt das Militär mehrere Schlüsselministerien wie das Innen- und das Verteidigungsressort.
Der 66 Jahre alte Kyaw ist seit vielen Jahrzehnten einer ihrer engsten Weggefährten. Die beiden kennen sich bereits aus der Schulzeit, er war auch mit ihrem verstorbenen Mann - einem Briten - befreundet. Der Wirtschaftswissenschaftler gehörte zu den wenigen Leuten, die sie im Hausarrest besuchen durften. Deshalb galt er nach dem Ende der Militärdiktatur und dem Wahlsieg der NLD als logische Wahl für den Präsidentenposten. Im Amt begnügte er sich weitgehend mit der Wahrnehmung von protokollarischen Aufgaben.
Suu Kyi selbst kann unter der aktuellen Verfassung nicht Präsidentin werden, weil ihre beiden Söhne die britische Staatsbürgerschaft besitzen. Für sie wurde deshalb der Titel einer „Staatsrätin“ erfunden, mit dem sie nun die Regierungsgeschäfte führt. Zunehmend gewann in den vergangenen Monaten jedoch Armeechef Min Aung Hlaing an Einfluss. Der 61-Jährige gilt als Hauptverantwortlicher für das brutale Vorgehen gegen die Rohingya. In Myanmar selbst gibt es daran kaum Kritik.
Nach der Verfassung muss das Parlament nun innerhalb von sieben Werktagen einen neuen Präsidenten wählen. Nach einem Bericht der BBC berief Suu Kyi für Samstag die Parteiführung der NLD ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen. In der Übergangszeit ist nun der bisherige erste Vizepräsident Myint Swe amtierendes Staatsoberhaupt, ein Mann der Militärs.
In den vergangenen Monaten gab es mehrfach Spekulationen über den Gesundheitszustand des bisherigen Präsidenten Kyaw. Nach Medienberichten musste er sich in Singapur einer Magenoperation unterziehen. Zur weiteren Behandlung soll er in Bangkok gewesen sein. Regierungssprecher Zaw Htay sagte dazu der Deutschen Presse-Agentur, Kyaw habe eine „erfolgreiche Operation“ hinter sich.
Zu Beginn der Woche hatte es in Myanmar auch Spekulationen über Suu Kyi gegeben. Auslöser war, dass die 72-Jährige bei einem Besuch in Australien einen öffentlichen Auftritt aus „Gesundheitsgründen“ absagte. Allerdings könnte dies auch damit zusammenhängen, dass dabei kritische Fragen zum Vorgehen gegen die Muslime erwartet wurden.