Nach erster Wahlrunde in Ägypten neue Proteste
Kairo (dpa) - Das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentenwahl hat in Ägypten alte Gräben wieder aufgerissen. Linke Gruppen und Anarchisten riefen zu einer neuen Welle von Demonstrationen auf, nachdem es in der Nacht schon in mehreren Städten spontane Protestkundgebungen gegeben hatte.
In Kairo wurde in der Nacht das Büro der Kampagne des Kandidaten Ahmed Schafik belagert. Nach Angaben lokaler Medien brach ein Feuer aus, als die Angreifer Brandbomben auf das Gebäude warfen. Das Feuer konnte schnell gelöscht werden.
In Kairo, Assuan und Kafr al-Scheich forderten Anhänger des drittplatzierten Kandidaten Hamdien Sabbahi die beiden Sieger des ersten Wahlgangs auf, zugunsten des „Kompromisskandidaten“ Sabbahi auszuscheiden. In Luxor forderte eine kleine Gruppe von Anhängern der Jugendbewegung 6. April Passanten auf, ihre Stimme nicht Schafik zu geben.
Die Wahlkommission hatte am Montag bekanntgegeben, dass kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht hat. Außerdem teilte sie mit, dass Mubaraks letzter Regierungschef, Ahmed Schafik, in der Stichwahl am 16. und 17. Juni gegen den Kandidaten der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, antreten wird.
Mursi hatte bei der Wahl mit knapp 5,8 Millionen Stimmen den ersten Platz belegt, gefolgt von Schafik mit rund 5,5 Millionen Stimmen. Für den linken Aktivisten Sabbahi entschieden sich 4,8 Millionen Wähler.
Ägyptische Medien meldeten am Dienstag, die Partei der radikal-islamischen Salafisten habe sich entschieden, in der Stichwahl Mursi zu unterstützen. Im ersten Wahlgang hatten sie sich für den unabhängigen Islamisten Abdel Moneim Abul Futuh ausgesprochen, der sich jedoch nicht für die Stichwahl qualifizieren konnte. Viele junge Unterstützer der Protestbewegung, die im vergangenen Jahr den Sturz von Präsident Husni Mubarak herbeigeführt hatte, sehen sich jetzt in einem Dilemma, weil sie Schafik als Repräsentanten des alten Regimes ebenso ablehnen wie die Muslimbruderschaft, die ihnen zu machthungrig erscheint.
Der frühere Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, der in der ersten Runde den fünften Platz belegt hatte, sprach sich für keinen der beiden Finalisten aus. Die Muslimbruderschaft versucht derweil, Sabbahi und Abul Futuh zu umgarnen, damit diese ihre Anhänger aufrufen, Mursi zu wählen.
Keine Fortschritte wurden nach Informationen der staatlichen Medien bei einem Treffen von Parlamentariern zum Thema Verfassungsreform erzielt. Bislang ist noch unklar, welche Machtbefugnisse der neue Präsident haben wird. Gemäß dem von den Militärs vorgelegten Fahrplan für die Übergangszeit soll eine neue Verfassung geschrieben werden. Es gibt jedoch zwischen den verschiedenen Parteien und Interessengruppen Streit darüber, wer in dem Verfassungskomitee sitzen soll und wie dort der Abstimmungsmodus sein soll. Diskutiert wird aktuell ein Vorschlag, wonach jeder Paragraf der neuen Verfassung von 67 Prozent der Mitglieder gebilligt werden muss.