Nach Gaza-Krieg: Netanjahu strebt Frieden ohne Hamas an
Tel Aviv (dpa) - Im Konflikt mit den Militanten im Gazastreifen schweigen die Waffen. Israels Ministerpräsident Netanjahu will weiter die Hamas stürzen. Die Armee rät zu Großzügigkeit im Umgang mit der Küstenenklave.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hält die Entmachtung der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen immer noch für eine Option. „Ich habe das Ziel, die Hamas zu stürzen, nie aufgegeben, und tue das auch jetzt nicht“, sagte er im Gespräch mit dem Fernsehsender Channel 2. Israel und die militanten Palästinenser in der Mittelmeer-Enklave halten sich seit letztem Dienstag an eine unbefristete, vorläufige Waffenruhe.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hofft wegen der Waffenruhe jetzt auf Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung. „Wir müssen eine Brücke bauen hin zur Rückkehr in die Gespräche über eine Zwei-Staaten-Lösung“, sagte Steinmeier am Sonntag in Berlin. Dazu gehöre internationaler Druck auf die Konfliktparteien. Steinmeier wollte am Abend mit dem ägyptischen Außenminister Samih Schukri in Berlin sprechen; Kairo hatte die Waffenruhe zwischen Israel und den Palästinensern vermittelt.
Im besetzten Westjordanland erklärte die israelische Militärverwaltung 400 Hektar Land westlich von Bethlehem zum „Staatsland“. Die israelische Bürgerrechtsorganisation „Peace Now“ sah darin am Sonntag den ersten Schritt zur Enteignung der palästinensischen Besitzer, um zwischen Bethlehem und der israelischen Staatsgrenze eine neue Siedlerstadt zu errichten.
Netanjahu sagte, die israelische Armee habe der Hamas im jüngsten, 50-tägigen Gaza-Krieg einen „schweren Schlag“ versetzt. Dies biete nun die „Chance auf eine längere Phase der Ruhe“. Sogar ein neuer Friedensprozess mit den Palästinensern sei möglich, erklärte der israelische Regierungschef in einem anderen Interview Channel 10. Bedingung dafür sei allerdings, dass Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit den Islamisten breche. Er müsse wählen zwischen „Frieden mit Israel und Frieden mit der Hamas“.
Die letzten Nahost-Friedensgespräche, bei denen US-Außenminister John Kerry vermittelt hatte, waren im April gescheitert. Zwei Monate später hatten die Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, und die gemäßigte Bewegung Al-Fatah von Abbas, die Teile des von Israel besetzten Westjordanlands verwaltet, eine palästinensische Einheitsregierung gebildet. Formell sollte diese auch im Gazastreifen das Sagen haben. Doch im militärischen Bereich lässt die Hamas keine Bereitschaft erkennen, ihre Entscheidungsmacht an die Einheitsregierung abzutreten. Auf einer Sitzung des Fatah-Zentralkomitees wurde am Samstagabend der „Jerusalem Post“ zufolge der Vorwurf erhoben, Hamas-Milizen hätten im Gaza-Konflikt „hässlichste Verbrechen“ an Fatah-Mitgliedern begangen. Etliche von ihnen seien erschossen oder zusammengeschlagen worden.
Die israelische Armee empfahl indessen, bei bevorstehenden Gesprächen mit der Hamas über einen dauerhaften Waffenstillstand Großzügigkeit zu zeigen. „Wenn wir dabei helfen, die Fischereizonen auszudehnen und die Beschränkungen an den Grenzübergängen für den Personen- und Warenverkehr zu lockern, wird dies dazu beitragen, die Ruhe aufrechtzuerhalten“, zitierte die Tageszeitung „Haaretz“ am Sonntag einen namentlich nicht genannten hochrangigen Armeevertreter.
Am Sonntag starb ein israelischer Soldat an Verletzungen, die er im Juli im Gaza-Krieg erlitten hatte. Damit verloren in Israel 72 Menschen das Leben, unter ihnen sechs Zivilisten. Auf palästinensischer Seite kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza mindestens 2145 Menschen ums Leben, rund zwei Drittel von ihnen Zivilisten.