Nach Krawallen: Streit zwischen Regierung und Polizei

London (dpa) - Im Streit um Mittel zur Verhinderung neuer Gewalt auf Englands Straßen wird der Graben zwischen der britischen Regierung und der Polizei immer tiefer.

Premierminister David Cameron holte sich Hilfe aus den USA und engagierte den früheren Polizeichef von Los Angeles und New York, Bill Bratton, als Berater. Er werde die Regierung in Fragen der Bandenkriminalität unterstützen, kündigte Bratton in einem Interview mit dem US-Sender abc an. Polizeigewerkschaften wehrten sich gegen den Schritt und betonten, die Polizei auf der Insel sei der Situation durchaus selber gewachsen. Derweil blieben neue Krawalle aus.

Die Vereinigung hoher britischer Polizeibeamter kritisierte den Einsatz von Bratton. Die britische Polizei verstehe die Gesetzeslage im eigenen Land sehr viel besser und sei absolut geeignet, den Premierminister zu beraten, hieß es unter anderem von der Association of Chief Police Officers. „Warum fragt der Premierminister nicht uns?“

Nach den schweren Krawallen, die vor rund einer Woche in London ausgebrochen waren und sich von dort in andere englische Städte ausbreiteten, hatte es Kritik an der Polizei gegeben. So soll sie nicht schnell genug reagiert und zunächst zu wenige Beamte auf den Straßen gehabt haben. Bei den Unruhen waren fünf Menschen gestorben. An Häusern und Geschäften entstand Millionenschaden.

Die Interessenvertretung der Londoner Polizei, die Metropolitan Police Federation, kritisierte erneut die geplanten Kürzungen. Es passe nicht zusammen, dass Cameron mit harter Hand gegen mögliche Randalierer vorgehen und gleichzeitig der Polizei das Geld kürzen wolle, sagte John Tully von der Organisation. In Zukunft werde man wegen der Kürzungen weniger statt mehr Polizisten auf der Straße sehen. Auch könne es passieren, dass verurteilte Straftäter früher aus den Gefängnissen entlassen würden, weil es nicht genug Plätze dort gebe.

Der als „Supercop“ bezeichnete Bratton betonte nach Medienberichten, dass das Problem der Bandenkriminalität langfristig nicht dadurch gelöst werden könne, Menschen ins Gefängnis zu stecken. Stattdessen müsse es Veränderungen in den Stadtteilen geben. So sollten beispielsweise mehr Polizisten mit Migrationshintergrund im Einsatz sein. Damit könne die Akzeptanz der Polizei bei den Banden erhöht werden.

Der Schatzkanzler und Camerons Parteikollege bei den konservativen Tories, George Osborne, stimmte Brattons Plänen zu. Statt die Zahl der Polizisten auf den Straßen in den Mittelpunkt zu stellen, müsse über die tiefsitzenden gesellschaftlichen Probleme hinter den Krawallen gesprochen werden. Die Regierung werde bei ihren Plänen zur Reform der Polizei bleiben, sagte Osborne dem Sender BBC.

Umfragen zeigten am Samstag, dass die Bevölkerung offenbar auf der Seite der Polizei steht. Eine Befragung für die Zeitung „The Guardian“ stellte fest, dass weniger als ein Drittel der Wähler denken, Cameron habe sich im Fall der Krawalle bislang richtig verhalten. 45 Prozent der mehr als 2000 über das Internet Befragten gaben an, der Londoner Polizeichef Tim Godwin habe das Richtige getan. Mehr als 61 Prozent haben weiterhin Vertrauen in die Polizei.

Unterdessen gab es in der Nacht zum Samstag keine neuen Krawalle in England. Allerdings gingen die Festnahmen in London und anderen Städten weiter, nachdem unter anderem Bilder aus Überwachungskameras bei der Identifizierung mutmaßlicher Täter geholfen hatten. Insgesamt sind mittlerweile mehr als 1600 Menschen festgenommen worden. In Schnellverfahren werden sie vor Gericht gestellt, es wurden bereits einige Haftstrafen verhängt. Mehrere Gerichte arbeiten auch am Wochenende weiter.

In London wurden zwei Männer unter Mordverdacht verhaftet. Sie sollen für den Tod eines Mannes verantwortlich sein, der während der Krawalle am Montag mit Schusswunden im Kopf in einem Auto gefunden wurde. Ein weiterer junger Mann wurde angeklagt, weil er einen 20 Jahre alten Studenten aus Malaysia ausgeraubt haben soll. Der Fall hatte für Aufsehen gesorgt, weil ein Video zeigte, dass die Täter dem Studenten vorgespielt hatten, ihm helfen zu wollen. Er war am Montag zwischen die Randalierer geraten. Stattdessen aber klauten sie sein Handy und seine Geldbörse.