Krawalle in England: Premier will Twitter-Täter stoppen

Weil sich Randalierer in England über das Internet verabredet haben, fordert Daniel Cameron nun Netzsperren für Täter.

London. Zwischen Freiheit und Gefängnis liegen in England manchmal nur ein paar getippte Worte. „Burn ‘m down!“ (Fackelt sie ab!), schrieb ein 14-Jähriger, gefolgt von einem Straßennamen in London. Entertaste — und seine Facebook-Gemeinde wusste, wo Zoff angesagt ist. Jetzt kommt der Teenager vor Gericht — wegen „Anstiftung zu Zerstörungen“. Nach Englands Krawall-Nächten gibt es immer mehr Anklagen gegen zumeist junge Täter, die wegen ihrer regen Nutzung eines weiteren Internet-Diensts auch „Twitter-Täter“ genannt werden. Nun hat Premierminister David Cameron mit der Forderung für Aufsehen gesorgt, Facebook, Twitter und den Messenger von Blackberry für potenzielle Randalierer zu sperren.

„Wenn Menschen soziale Netzwerke für Gewalt nutzen, müssen wir sie stoppen“, polterte Cameron. Die Regierung wolle, dass dafür Polizei, Geheimdienste und Web-Industrie zusammenarbeiten. Beifall erntete der Premier damit vor allem an Englands Stammtischen. Doch andere reagieren mit Kopfschütteln. Populismus sei das, weit entfernt von der Realität, schimpfen Kritiker.

Camerons Vorstoß sei, wenn er damit ernst mache, eine „fundamentale Wende“ im Umgang der britischen Regierung mit dem Internet, sagt der auf Netzmedien spezialisierte Londoner Anwalt Steve Kuncewicz. Ein Deal „zwischen Politik und Netzwerkbetreibern“, wie er Cameron offenbar vorschwebe, „könnte zur Erosion des Rechts auf freie Meinungsäußerung führen“.

Der Netzwerk-Experte Graham Cluley räumt zwar ein, „dass da jede Menge unschöne, von Hass motivierte und verbotene Aktivitäten ablaufen“. Zugangssperren könnten aber sehr leicht aus dem Ruder laufen und dazu führen, dass zum Beispiel Nachrichten geblockt werden, „mit denen nur mal einer seine Freunde für zehn Uhr ins nächste Curry-Restaurant einladen wollte“. Zudem könnten ungewollt auch jene ausgehebelt werden, die in den Krawall-Nächten Twitter oder Facebook genutzt haben, um die Polizei und Freunde zu warnen.

Mit einer Warnung in Richtung Downing Street reagierte auch die in den USA für Freiheit im Netz eintretende Organisation EFF. Sie rief die Betreiber von Twitter, Facebook und Blackberry dazu auf, „für die Rechte ihrer Nutzer zu kämpfen“. Ähnlich wie Kritiker im britischen Königreich hält die EFF (Electronic Frontier Foundation) Cameron eine 180-Grad-Wende in seiner Einstellung zur Internet-Zensur vor.

Gut in Erinnerung ist noch, wie der konservative Regierungschef unter dem Eindruck der Aufstandsbewegungen in Tunesien und Ägypten Meinungsfreiheit im Netz forderte.

Und erst vor einem Jahr hatte Cameron daheim Beifall bekommen, als er den Briten eine Abkehr vom Überwachungsstaat versprach. Internetsperren und Vorratsdatenspeicherung sollten abgeschafft werden. Dennoch erinnert so manchen Briten seine Insel weiterhin an den von George Orwell beschriebenen „Big Brother“-Staat. Immerhin beobachten allein in London eine halbe Million Kameras die 7,5 Millionen Einwohner.