Der Euro — eine polnische Hassliebe

Europas Musterknabe zögert mit dem einst ersehnten Beitritt zur Währungsunion.

Warschau. Die Stimmung ist dahin. Erstmals seit dem EU-Beitritt 2004 sind die Polen gegen die Einführung des Euro. Mit 42 zu 41 Prozent überwiegt die Skepsis in neuen Umfragen zwar nur geringfügig. Doch die Schuldenkrise zeigt auch im Boomland des Ostens Wirkung.

„Die Menschen wollen nicht für Griechenland und Italien zahlen. Außerdem haben sie Angst vor einem Euro-Teuro-Effekt“, erläutert Agnieszka Lada vom Warschauer Institut für Öffentliche Angelegenheiten. Aber sie weist darauf hin, dass die EU an sich mit 85 Prozent Zustimmung in Polen so beliebt ist wie eh und je.

Diese Euphorie war auch der Grund, warum sich Premier Donald Tusk nach seiner Amtsübernahme 2007 darauf festlegte, den heimischen Zloty bis 2012 gegen den Euro einzutauschen. Doch dann führte die globale Finanzkrise der liberalen Regierung vor Augen, welche Vorteile eine eigene Währung haben kann.

Um die Exporte anzukurbeln, wertete Polen den Zloty um mehr als 50 Prozent ab — mit Erfolg: Während sich europaweit die ökonomischen Kennziffern verfinsterten, verzeichnete Polen 2009 als einziges EU-Land Wachstum (plus 1,5 Prozent). Seit dem EU-Beitritt hat Polen sein Bruttoinlandsprodukt verdoppelt.

Tusk zögert nun mit der Euro-Einführung. „Ich werde den Teufel tun und noch mal vorzeitig ein Beitrittsdatum zur Währungsunion nennen“, sagt er. Zugleich erlebt der Premier, dass sein Land in Brüssel am Katzentisch sitzt — obwohl Polen zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Warschau ist zwar dem Anti-Krisenpakt Euro Plus beigetreten und beteiligt sich mit 250 Millionen Euro an der Griechenland-Hilfe. Doch Entscheidungen treffen die Mitglieder der Euro-Zone.

„Wenn wir Einfluss nehmen wollen, müssen wir der Währungsunion beitreten“, sagt deshalb Politikwissenschaftlerin Lada. Das weiß auch Tusk. Hinter vorgehaltener Hand heißt es in seinem Umfeld, der Premier werde die kommende Legislaturperiode nutzen, um die Einführung voranzutreiben.

Am 9. Oktober wählen die Polen ein neues Parlament. Tusk ist Favorit. Doch solange die Schuldenkrise andauert, käme ein Bekenntnis zum Euro politischem Selbstmord gleich.