Nach mehr als 100 Jahren: US-Pfadfinder lassen Homosexuelle zu
Washington/Berlin (dpa) - Mehr als 100 Jahre nach ihrer Gründung wollen die US-Pfadfinder künftig auch offen homosexuelle Jugendliche in ihren Reihen erlauben.
Das Ende des Verbots soll am 1. Januar 2014 in Kraft treten, beschlossen die 1400 Mitglieder des Nationalrates der Organisation am Donnerstag (Ortszeit) bei einem Treffen in Grapevine in Texas. Der mehr als zehn Jahre währende Streit über die Aufnahme Homosexueller hatte auch die rund 2,7 Millionen Jugendliche zählende Scout-Bewegung (BSA) tief gespalten. Vor allem konservative Kirchen- Organisationen, die oftmals als Sponsoren auftreten, hatten die Aufnahme bekennender Homosexueller abgelehnt.
Die Versammlung der Pfadfinder beschloss in Grapevine eine Änderung der Statuten: Jugendlichen soll danach die Mitgliedschaft nicht mehr nur wegen ihrer sexuellen Orientierung verwehrt werden. Für erwachsene Betreuer und Gruppenleiter gilt der Schwulenbann allerdings weiter. Auch sexuelle Handlungen sind Jugendlichen im Scout-Alter (bis 21 Jahre) nach wie vor untersagt. „Das läuft den Tugenden des Scoutings zuwider“, heißt es in der Resolution.
In Deutschland kritisierten Pfadfinder die Entscheidung als halbherzig und enttäuschend. „Den Verband für homosexuelle Jugendliche zu öffnen, begrüßen wir. Das war lange überfällig. Aber homosexuelle Leiterinnen und Leiter weiter auszuschließen, ist absurd“, erklärte die Vorsitzende des Ringes deutscher Pfadfinderinnenverbände, Sarah Jäger. Philipp Stemmer, Vorsitzender im Ring deutscher Pfadfinderverbände, sagte: „Offen homosexuell lebenden Menschen darf nicht abgesprochen werden, ein Leitungsamt in einer Jugendorganisation auszufüllen. Wir wünschen uns, dass in der BSA eine echte Gleichheit ohne jegliche Diskriminierung herrscht.“
Im vergangenen Jahr hatte der Vorstand der 1910 gegründeten US-Pfadfinder noch für eine Beibehaltung des Homosexuellen-Verbots gestimmt. Die Entscheidung führte jedoch zu landesweiten Protesten. Befürworter einer Änderung sammelten 1,8 Millionen Unterschriften, und auch US-Präsident Barack Obama sprach sich für ein Ende der Diskriminierung aus: „Schwule und Lesben sollten die gleichen Chancen wie alle anderen erhalten.“ Bereits 2010 hatte der US-Kongress auf Drängen Obamas ein Gesetz aufgehoben, das es offen homosexuellen Soldaten untersagte, bei den Streitkräften zu dienen.
Unterstützung für den Wandel bei den Pfadfindern kam überraschenderweise auch von den konservativen Mormonen, die mit rund 430 000 Mitgliedern bei den Scouts vertreten sind. Andere Religionsgemeinschaften drohten hingegen damit, ihre Unterstützung für die Boy Scouts of America (BSA) zu streichen. Auch innerhalb der Organisation bleibt die Frage umstritten: In einer internen Umfrage hatten sich 61 Prozent für die Beibehaltung des Verbots ausgesprochen.
Im Jahr 2000 hatte das Oberste Gericht der USA den Ausschluss Homosexueller bei den Pfadfindern in einem Urteil gebilligt. Die Boy Scouts hätten ein Grundrecht auf die freie Entscheidung über ihre Mitglieder, hieß es damals.
Die 1910 gegründete Pfadfinderorganisation ist mit knapp 2,7 Millionen jungen Mitgliedern und mehr als einer Million erwachsenen Unterstützern der größte Jugendverband der USA.