Nervenkrieg im Fall Julia Timoschenko
Westerwelle verhandelt in der Ukraine um Ausreise der Politikerin nach Deutschland.
Kiew. Guido Westerwelle schürte noch einmal das Feuer der Hoffnung. „Der Wille der ukrainischen Führung, den Fall Julia Timoschenko zu lösen, ist mit Händen zu greifen“, sagte der deutsche Außenminister Donnerstag nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Kiew. Beide hatten zuvor nach Westerwelles Worten „intensiv und sehr konkret“ über die Freilassung der seit zwei Jahren inhaftierten Oppositionsführerin verhandelt.
In Kiew deuten alle Zeichen darauf hin, dass der autoritär regierende Janukowitsch seiner Erzrivalin die Ausreise nach Berlin erlauben wird. In der Charité könnte sich die 52-Jährige einer Behandlung ihres Rückenleidens unterziehen. Noch weiter als Westerwelle ging der ukrainische Ministerpräsident Mykola Asarow: „Wir sind einer humanitären Lösung extrem nah“, sagte er unserer Zeitung.
Die Lösung des Falls ist zum letzten Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen EU und Ukraine über eine enge politische und wirtschaftliche Anbindung geworden. Beide Seiten wollen Ende November ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen unterzeichnen. Der Vertragsschluss würde das Ende der ukrainischen Schaukelpolitik zwischen Russland und dem Westen besiegeln. „Dies wäre ein historischer Schritt“, sagte Westerwelle.
Asarow erklärte zum Fall Timoschenko weiter: „Ich bin überzeugt, dass die Mission von Alexander Kwasniewski und Pat Cox zu einem Erfolg führt.“ Der ehemalige polnische Staatschef und der frühere EU-Parlamentspräsident aus Irland haben nach einjährigen Verhandlungen ein Gnadengesuch für Timoschenko bei Präsident Janukowitsch eingereicht. Am Dienstag werden Cox und Kwasniewski in Brüssel Bericht erstatten. Am 21. Oktober wollen die EU-Außenminister über die Ukraine beraten. Die Ausreise Timoschenkos könnte zwischen diesen Tagen erfolgen.
Sollte Timoschenko dauerhaft in Deutschland bleiben, würde an ihre Stelle als wichtigster Oppositionspolitiker und möglicher Janukowitsch-Herausforderer Vitali Klitschko treten. „Ich bin bereit, bei der Präsidentenwahl 2015 ins Rennen zu gehen“, hatte der Box-Weltmeister vor wenigen Wochen angekündigt.
Seit einem Jahr ist Klitschko mit seiner proeuropäischen Partei UDAR (Schlag) im Parlament vertreten. In den Umfragen führt er derzeit vor Janukowitsch.