Nervenkrieg um US-Informant Snowden

Moskau (dpa) - Machtpoker in Moskau: Nach der spektakulären Flucht des amerikanischen Geheimdienstspezialisten Edward Snowden haben die USA von Russland die Auslieferung des „Verräters“ gefordert.

Anders als von Kremlchef Wladimir Putin behauptet, gebe es „eine eindeutige juristische Grundlage“, sagte Sprecherin Caitlin Hayden vom Nationalen Sicherheitsrat in Washington.

Dagegen sprach sich Michail Fedotow vom Kreml-Menschenrechtsrat dafür aus, Snowden Asyl in Russland zu gewähren. „Wer Operationen der Geheimdienste aufdeckt, die die Sicherheit Tausender bedrohen, verdient Asyl“, sagte er der Agentur Itar-Tass zufolge am Mittwoch in der russischen Hauptstadt.

Snowden hielt sich nach Angaben des Moskauer Flughafens Scheremetjewo weiter im Transitbereich auf. Der 30-Jährige besitze aber nach der Annullierung seiner Dokumente durch die US-Behörden keinen gültigen Pass mehr, teilte der Airport mit. Damit scheint Snowdens Weiterreise schwer möglich. Zuletzt hieß es, er wolle von Russland aus über Kuba nach Ecuador fliegen, wo er Asyl beantragt habe.

Snowden hatte mit Enthüllungen über die Überwachungspraktiken britischer und amerikanischer Geheimdienste Schlagzeilen gemacht. Putin lehnt seine Auslieferung an die USA ab. Snowden sei ein freier Mann, der die russische Staatsgrenze offiziell nicht übertreten und in dem Land auch keine Verbrechen begangen habe, hatte er am Vortag gesagt. Zudem gebe es kein Auslieferungsabkommen mit den USA.

„Die Drohungen der USA werden kein Resultat bringen“, twitterte der Chef des Auswärtigen Ausschusses in der Staatsduma, Alexej Puschkow. Er lobte Snowden als „modernen Dissidenten“. Der sogenannte Whistleblower sei kein Spion, da er Informationen nicht für Geld, sondern aus Überzeugung preisgegeben habe, schrieb Puschkow.

Auch ohne Abkommen kann Russland Snowden an die USA überstellen, worauf in Moskau mehrere Experten hinweisen. So heißt es in der Hausordnung des Flughafens Scheremetjewo, Ausländer mit einem gültigen Flugticket dürften sich ohne russisches Visum nur maximal 24 Stunden im Transitbereich aufhalten. Putin hatte die Chefs der russischen und der US-Geheimdienste aufgefordert, sich um den Fall zu kümmern. Beide Seiten erklärten, sie seien nicht an einer Verschlechterung ihrer ohnehin gespannten Beziehungen interessiert.

Snowden hatte unter anderem das Abhörprogramm „Tempora“ des britischen Geheimdienstes GCHQ enthüllt, mit dem auch deutsche Daten erfasst werden. Die Bundesregierung hat deswegen Aufklärung von London verlangt. Die britische Regierung will die Fragen der Bundesregierung aber nicht einfach beantworten. Das geht aus einem Schreiben der britischen Botschaft an das Bundesinnenministerium hervor, das der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt.

Darin heißt es: „Wie Sie ja wissen, nehmen britische Regierungen grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten.“ London empfiehlt nun der Bundesregierung, als geeigneten Kanal für bilaterale Gespräche „unsere Nachrichtendienste selbst“ anzusprechen. Mit „Tempora“ können die Briten bis zu 600 Millionen Telefonverbindungen täglich erfassen.