Neue Regierung in Tunesien bis Ende der Woche?
Tunis/Paris (dpa) - In der schweren politischen Krise in Tunesien soll nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Hamadi Jebali schnellstmöglich eine neue Regierung präsentiert werden.
Der Chef der stärksten Partei Ennahda, Rachid Ghannouchi, sprach am Mittwoch von einem Zeitfenster „bis Ende der Woche“. Der Islamistenführer deutete am Rande eines Treffens mit Präsident Moncef Marzouki zudem an, dass daran mehr Parteien als bislang beteiligt sein könnten. Der als gemäßigt geltende Regierungschef Jebali war am Dienstagabend zurückgetreten. Zuvor war er mit seiner Forderung gescheitert, eine Regierung nur aus Experten zu bilden.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich besorgt über die Entwicklung in Tunesien. Das nordafrikanische Land befinde sich in „kritischen Tagen“, sagte er in Berlin. „Ich rufe alle politischen Kräfte dazu auf, jetzt im Geist des Dialogs aufeinander zuzugehen und die Gräben zu überwinden, die das Land zur Zeit trennen.“
Der Erfolg der Revolution dürfe nicht verspielt werden. „Hier steht viel auf dem Spiel. Nicht nur für Tunesien, sondern für all das, was als Arabischer Frühling bekanntwurde.“ Es gehe jetzt nicht um ein Gegeneinander, sondern um Gemeinsamkeiten.
Der Präsident des EU-Parlaments, der SPD-Politiker Martin Schulz, rief die Verantwortlichen in Tunesien auf, gemeinsam und verantwortungsvoll für das Wohl des Landes zu arbeiten.
Gegen ein tunesisches Experten-Kabinett ohne Politiker hatte sich vor allem Jebalis eigene Partei Ennahda ausgesprochen. Die islamistische Bewegung ist stärkste Kraft in der Regierungskoalition.
Jebalis Rücktritt stieß am Mittwoch auf ein geteiltes Echo. Von der mitregierenden Mitte-Links-Partei CPR wurde der freiwillige Rücktritt eines Regierungschefs als „wahrer Beginn der Demokratie in Tunesien“ begrüßt. Gleichzeitig wurde spekuliert, Jebali könne auch im neuen Kabinett Regierungschef werden.
Für einen solchen Weg hatte der Politiker bereits Bedingungen gestellt und unter anderem einen festen Wahltermin gefordert. Außerdem verlangte er, die politische Gewalt zu bekämpfen.
Mit dem Plan für eine Kabinettsumbildung hatte Jebali auf die Ermordung des Oppositionspolitikers Chokri Belaïd vor zwei Wochen reagiert. Der Jurist galt als einer der schärfsten Ennahda-Kritiker. Nach der Bluttat hatte es in Tunesien Massenproteste von Regierungsgegnern gegeben. Von seinen Mördern fehlt weiter jede Spur.
Die Ennahda führt seit ihrem Wahlsieg im Herbst 2011 die Übergangsregierung im Mutterland des Arabischen Frühlings. Beteiligt war bislang neben der CPR um Staatspräsident Marzouki auch die sozialdemokratische Partei Ettakatol von Mustapha Ben Jaâfar, der die verfassungsgebende Versammlung leitet.