Europa fürchtet die Rückkehr Berlusconis
Die Italiener wählen am Sonntag und Montag. Flammt die Eurokrise wieder auf?
Rom. Italien wählt ein neues Parlament — und Europa hält den Atem an: Kurz vor der Abstimmung am Sonntag und Montag wächst die Sorge, dass Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi an die Spitze der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone zurückkehren könnte.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagt: Eine Wiederwahl Berlusconis „wäre für die Anleger ein Horror-Szenario, die Staatsschuldenkrise würde wieder hochkochen“. Die Renditen für italienische Staatsanleihen dürften in die Höhe schnellen, der Reformprozess könnte abrupt beendet sein. „Italien hat mit Berlusconi bereits viele verlorene Jahre hinter sich, eine Neuauflage würde diese Agonie verlängern“, urteilt Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
Sollte das hoch verschuldete Land für frisches Geld an den Kapitalmärkten dramatisch höhere Zinsen zahlen müssen, könnte die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Kauf von Staatsanleihen für Entlastung sorgen. Doch die Währungshüter haben die Latte dafür selbst hochgelegt: Erst wenn ein Land einen Hilfsantrag stellt und somit politische Reformauflagen akzeptiert, wäre die EZB prinzipiell bereit zum Kauf von Anleihen.
Der Rettungsschirm ESM kann Staaten bis zu 500 Milliarden Euro an Krediten geben, im Gegenzug müssen sie strenge Spar- und Reformauflagen erfüllen. Sollte Rom — wie von Berlusconi versprochen — Steuern senken, ohne die Ausfälle mit Einsparungen zu kompensieren, könnte die Situation in Europa unangenehm werden, meint Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding: „Ein Italien, das die Regeln bricht, wäre kein Kandidat für Unterstützung durch den ESM oder die EZB." Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung fürchtet, dass Hilfen für Italien den Rettungsschirm sprengen würden.
Möglicherweise kommt es nach der Wahl zu einem Patt zwischen dem Mitte-Links-Bündnis um den Chef der Demokratischen Partei PD von Pier Luigi Bersani und Berlusconis Bündnis um die PdL-Partei (Volk der Freiheit). Mögliche Folgen: Hängepartie, Reformstillstand und Unruhe an den Finanzmärkten. Die Reaktionen wären allerdings weniger heftig als bei einer Wahl Berlusconis, meint Ökonom Krämer.