„News of the World“ könnte Koalitionskrise auslösen
London (dpa) - Der Abhörskandal um die eingestellte Zeitung „News of the World“ könnte zur Gefahr für die britische Regierungskoalition werden. Auch den milliardenschweren Plänen von Medienmogul Rupert Murdoch in Großbritannien droht Ungemach.
Nach einem dramatischen Wochenende kämpften beide Seiten am Montag um Schadensbegrenzung. Der kleinere Koalitionspartner der konservativen Tories, die Liberaldemokraten, könnte sich in Fragen zu dem Skandal auf die Seite der oppositionellen Labour-Partei schlagen. Dabei geht es vor allem um die Übernahme des britischen Bezahlsenders BSkyB durch den Medienunternehmer Murdoch. Zum Murdoch-Imperium gehört auch der Verlag News International, in dem die „News of the World“ erschienen war.
Die sozialdemokratische Labour-Partei argumentiert, über die milliardenschwere Übernahme dürfe erst entschieden werden, wenn die polizeilichen Ermittlungen im Skandal um Tausende abgehörte Handys bei „News of the World“ abgeschlossen seien. Labour-Chef Ed Miliband hatte angekündigt, an diesem Mittwoch eine Parlamentsabstimmung über die Zukunft von BSkyB zu erzwingen, sollte die Regierung von Premierminister David Cameron bis dahin nicht handeln. Die Liberaldemokraten hatten dem zugestimmt.
Der konservative Kultur-Minister Jeremy Hunt kündigte am Montag an, er werde die zuständigen Aufsichtsbehörden erneut um Beratung bitten. Erst dann wolle er entscheiden, ob das Übernahmeangebot Murdochs in die Wettbewerbs-Kommission eingebracht werde.
Der Chef der Liberaldemokraten, Vize-Premierminister Nick Clegg, forderte Murdoch am Montag auf, seine Übernahmepläne für BSkyB zu überdenken. „Tun Sie, was sich gehört und was vernünftig ist, und denken sie noch einmal über ihr BSkyB-Angebot nach“, sagte Clegg nach einem Treffen mit den Eltern des Mordopfers Milly Dowler. Die 13-Jährige war 2002 entführt und später tot aufgefunden worden.
In der vergangenen Woche war ans Tageslicht gekommen, dass Journalisten der „News of the World“ Millys Mailbox angezapft und sogar Nachrichten gelöscht haben sollen, um Platz für neue zu machen. Neben Milly sollen die Telefone von bis zu 4000 Prominenten, Politikern, Soldatenwitwen und Opfern von Terroranschlägen und Straftaten abgehört worden sein. Außerdem sollen Bestechungsgelder an die Polizei gezahlt und Beweismittel unterschlagen worden sein. Einem Bericht der BBC vom Montag zufolge könnte auch ein Sicherheitsbeamter, der für die britische Königsfamilie arbeitete, Geld für Informationen bekommen haben.
Nachdem das Ausmaß des seit Jahren laufenden Skandals sich in der vergangenen Woche ausgeweitet hatte, hatte News International am Donnerstag das Ende der 168 Jahre alten Zeitung verkündet. Die letzte Ausgabe erschien am Sonntag.
Der 80 Jahre alte Murdoch war am Sonntag nach London gekommen. Er traf sich unter anderem mit der umstrittenen News-International-Managerin Rebekah Brooks. Brooks war zu den Zeiten, als Millys Handy abgehört worden sein soll, Chefredakteurin bei dem Blatt. Sie bestreitet, von den Praktiken gewusst zu haben. Murdoch zeigte sich am Sonntagabend demonstrativ mit Brooks in London. Auf Fragen von Reportern gab er aber keine detaillierten Antworten. Medien berichteten, Brooks könnte noch diese Woche in den Zeugenstand gerufen werden.
Murdoch muss um die geplante Komplettübernahme von BSkyB fürchten. Derzeit hält er 39 Prozent an dem Pay-TV-Sender. Da Murdoch über News International bereits die auflagenstarken britischen Zeitungen „The Times“ und „The Sun“ kontrolliert, fürchten Kritiker ohnehin, die Übernahme des Senders könnte Murdoch zu mächtig auf dem Medienmarkt der Insel werden lassen. Die Aktie von BSkyB fiel am Montagmorgen um weitere 6 Prozent auf rund 700 Pence. Damit ist der Wert des Unternehmens seit dem erneuten Ausbruch des Skandals vergangene Woche um rund 17 Prozent oder 2,5 Milliarden Pfund (2,6 Mrd Euro) gefallen.