Nigeria: Die Lunte am Pulverfass brennt
Der Terror der radikal-islamistischen Sekte Boko Haram gegen die Christen eskaliert.
Kapstadt/Abuja. Die Verzweiflung war Präsident Goodluck Jonathan fast anzusehen. Mit dem unvermeidlichen schwarzen Hut auf dem Kopf und mit ernster Miene appellierte er an sein Volk, das Land nicht weiter in die Krise zu treiben. „Dies sind keine einfachen Zeiten, aber es braucht harte Entscheidungen“, beschwor er seine Landsleute in einer Fernsehansprache. Jonathan fürchtet soziale Unruhen, nachdem die Gewerkschaften wegen seines Sparkurses und der Streichung von Benzin-Subventionen zum Generalstreik aufgerufen haben — und gleichzeitig die radikal-islamistische Sekte Boko Haram das Land mit Terror überzieht und blutige Anschläge auf Christen verübt.
Der seit 2010 amtierende Präsident ist in dem ölreichen Vielvölkerstaat, der etwa dreimal so groß ist wie Deutschland, an mehreren politischen Fronten gefordert — manche fürchten sogar die Gefahr eines Bürgerkriegs. Die teilweise gewalttätigen Proteste offenbaren eine tief sitzende Unzufriedenheit der Bürger. Denn in dem an Bodenschätzen und fruchtbaren Böden enorm reichen Land leidet die Mehrheit der 150 Millionen Bürger unter bitterer Armut. Vor allem Korruption verhindert die wirtschaftliche Blüte des Landes.
Auch der Konflikt im islamisch geprägten Norden hat teilweise ökonomische Hintergründe. Boko Haram nutzt den Unmut der Menschen über den Staat und das Gefühl der Benachteiligung gegenüber dem reicheren, christlich geprägten Süden Nigerias aus, um gegen Christen zu hetzen. Ihrem Ultimatum, demzufolge die Christen binnen drei Tagen den Norden verlassen sollten, hat sie blutige Taten folgen lassen. 30 Menschen fielen Anschlägen zum Opfer. Bereits an Weihnachten hatte der Terror 50 Menschenleben gekostet.
Vor allem unter den 60 Millionen Christen im Land wächst die Unruhe. Die Kirchen werfen dem Oberhaupt der Moslems, dem Emir von Sokoto, vor, nicht eindeutig genug die Sekte als Terrororganisation zu geißeln. Der Präsident der Dachorganisation christlicher Kirchen Nigerias, Pastor Ayo Oritsejafor, erinnerte jetzt an die schlimmsten Zeiten in der Geschichte Nigerias, als vor über 40 Jahren beim Bürgerkrieg über eine Million Menschen starben. Der Terror gegen Christen komme „ethnischen und religiösen Säuberungen“ gleich.