„Opa Wen“ und das Milliarden-Vermögen
Chinas Premier geht massiv gegen Berichte über seinen angeblichen Reichtum vor.
Peking. Ausgerechnet Wen Jiabao. Einst sahen ihn Beobachter im Westen und in seiner chinesischen Heimat als große Hoffnung für demokratische Reformen im Reich der Mitte.
Nach zehn Jahren an der Macht trübt ein Bericht der „New York Times“ nun das Image von „Opa Wen“. Der scheidende chinesische Premier, der sich während seiner zehnjährigen Regierungszeit gern volksnah und bescheiden gab, soll den anderen Parteifunktionären Chinas doch mehr ähneln, als viele Optimisten gedacht hatten: Wens Familienclan hat laut der US-Zeitung ein Vermögen von umgerechnet rund 2,1 Milliarden Euro angehäuft.
Oftmals schweigen Chinas intransparente Machthaber zu derartigen Vorwürfen oder tun sie als Anti-China-Propaganda ab. Diesmal aber sind die Beschuldigungen so schwerwiegend, dass Wen ungewöhnlich vehement reagierte.
Seine Anwälte widersprachen in einem öffentlichen Schreiben den Anschuldigungen und verwiesen darauf, dass der Ministerpräsident nie eine Rolle bei den Geschäften seiner Angehörigen gespielt habe. Die „verborgenen Reichtümer“ existierten nicht, schrieben sie — und behielten sich rechtliche Schritte gegen die Zeitung vor.
Der Dissident Yu Jie glaubt Wen Jiabao nicht. Yu war im Januar ins Exil geflohen und lebt seither in den USA. Bekannt wurde er durch sein Buch „Chinas größter Schauspieler“, das in China verboten ist. Darin kommt Yu zum Schluss, dass das sorgsam gepflegte Image von Wen Jiabao als gütiger und reformfreudiger Landesvater „reine Show“ sei.
Der 70-Jährige hatte sich während seiner Regierungszeit gerne vor laufenden Kameras im Gespräch mit Bauern, Arbeitern oder Kranken gezeigt. Doch der Bericht der „New York Times“ legt nahe, dass sein familiäres Umfeld in der gleichen Zeit steinreich geworden ist. Wens Ehefrau Zhang Beili soll sogar mit Bekannten den chinesischen Edelsteinhandel kontrollieren.
Die Neuigkeiten über das Vermögen der Familie Wen und weitere Skandale der vergangenen Zeit drohen nun viele Chinesen darin zu bestärken, dass Korruption ein weit verbreitetes Phänomen unter ihren Parteifunktionäre ist und bleibt.