Opposition in Kiew ignoriert Amnestiegesetz

Kiew (dpa) - Der Machtkampf in der Ukraine tobt trotz neuer Zugeständnisse der Führung ungebrochen weiter. Die Opposition weigert sich, besetzte Gebäude zu verlassen und ignoriert damit die Bedingungen einer Amnestie für festgenommene Demonstranten.

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Deutschland drängt den prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, die vom Parlament beschlossene Rücknahme umstrittener Gesetze endlich zu unterzeichnen. Janukowitsch selbst ließ sich nach offiziellen Angaben wegen hohen Fiebers in einer Klinik behandeln. Der Staatschef leide an einer schweren Erkältung, erklärte der stellvertretende Leibarzt Alexander Orda in einer Mitteilung am Donnerstag.

Die USA erwägen Sanktionen gegen die Führung der früheren Sowjetrepublik. Auch die EU müsse Zwangsmaßnahmen ergreifen, forderte der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko. Janukowitsch rief hingegen seine Gegner zum Einlenken auf. „Die Regierung hat alle auf sich genommenen Verpflichtungen eingehalten“, teilte der Staatschef am Donnerstag mit. Zugleich kritisierte der Präsident, die Opposition wolle die Situation absichtlich verschärfen, um „politische Ambitionen einiger Führer“ zu befriedigen.

Die Opposition kündigte weitere Proteste an. Ihr gehen die Konzessionen noch nicht weit genug. Sie verlangt die bedingungslose Freilassung festgenommener Demonstranten und verweigert die im Amnestiegesetz geforderte Räumung besetzter Verwaltungsgebäude.

Nach Dafürhalten der Opposition hat die regierende Partei der Regionen von Präsident Janukowitsch bei der Abstimmung erpresst, betrogen und gefälscht. „Alle Masken sind gefallen. Es ist offensichtlich, dass die Mehrheit im Parlament den Konflikt weiter anheizt anstatt die Krise friedlich beizulegen“, heißt es weiter in einer MItteilung. Janukowitsch habe mit Erpressung und Einschüchterung die Fraktion zur Annahme des Gesetzes gezwungen.

Seit Beginn der gewaltsamen Proteste sind nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft landesweit bisher 234 Demonstranten festgenommen worden. 140 von ihnen sitzen in Untersuchungshaft oder stehen unter Hausarrest. Alle in den vergangenen zwei Wochen Festgenommenen würden voraussichtlich unter die beschlossene Amnestie fallen, hieß es in Kiew.

Die USA drohten unterdessen mit Sanktionen - offenbar auch gegen Anführer blutiger Proteste. „Wir werden zusätzliche Maßnahmen weiterhin in Betracht ziehen, inklusive Sanktionen, um auf die Gewaltanwendung aller Beteiligten zu reagieren“, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Caitlin Hayden, der Nachrichtenagentur dpa.

Oppositionspolitiker Klitschko rief die EU auf, Zwangsmaßnahmen wie etwa Einreiseverbote gegen Janukowitsch zu verhängen. „Ich habe das Gefühl, dass dieser Mann uns austricksen will und nur versucht, Zeit für sich und seine schmutzige Politik zu gewinnen“, schrieb Klitschko in der „Bild“-Zeitung.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte Janukowitsch davor, weiter auf Zeit zu spielen. „Macht jetzt endlich ernst und tut, was Ihr der Opposition versprochen habt!“, betonte der SPD-Politiker. Bislang gebe es eine „Lücke zwischen dem, was zwischen den Verhandlungsparteien der Opposition und dem Präsidenten besprochen wird, und dem, was dann anschließend umgesetzt wird“.

Die EU forderte ein Ende der Gewalt in der Ukraine als Voraussetzung für einen weiteren Dialog zwischen Kiew und Brüssel. „Gewalt und Einschüchterung sind eindeutig nicht die Antwort auf die Krise“, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel nach einem Gespräch mit dem polnischen Regierungschef Donald Tusk.

Der Machtkampf in der Ukraine dreht sich nach Ansicht von Andreas Schockenhoff (CDU), dem langjährigen Beauftragten der Bundesregierung für die deutsch-russischen Beziehungen, längst nicht mehr um die Frage, ob sich das Land nach Europa orientiert oder mit Russland eine eurasische Zollunion bildet. „In der Realität geht es darum, dass die Menschen eine solche gelenkte Demokratie mit einer Staatsmacht, die sämtliche Lebensbereiche kontrolliert, nicht mehr wollen“, sagte Schockenhoff der „Südwest Presse“ (Freitag).