Organisierte Kriminalität: Eine Welle der Gewalt erschüttert Marseille
Morde, Drogenringe und Bandenkriege: Die Politik setzt nun auf Polizeipräsenz.
Marseille. Es ist das „Prinzip Kalaschnikow“. Meist wird das russische Sturmgewehr zwar nicht verwendet. Doch Franzosen wissen sofort, was gemeint ist, wenn vom „Prinzip Kalaschnikow“ die Rede ist: Ein oder zwei Unbekannte auf einem Roller, Schüsse auf offener Straße, zurück bleibt ein Toter. Auch über den Ort des Verbrechens gibt es kaum Zweifel: Irgendwo in Marseille.
Erneut erschüttert eine Serie von Gewaltverbrechen die südfranzösische Hafenmetropole, die in diesem Jahr als europäische Kulturhauptstadt an ihrem Image bastelt. Allein 2013 haben Organisierte Kriminalität, Drogenringe und Bandenkriege mit 13 solcher Morde die brutale Seite der Stadt an die Oberfläche gezerrt. Zuletzt starben innerhalb von zehn Tagen drei junge Männer. Das jüngste Opfer: ein 25-Jähriger.
Fast 30 Prozent der Menschen in Marseille leben laut des aus der Hafenmetropole stammenden sozialistischen Abgeordneten Patrick Mennucci unterhalb der Armutsgrenze. Ein Nährboden für Gewalt, für den Soziologen Laurent Mucchielli ein „offensichtlicher Faktor zur Verstärkung der Kriminalität“.
Die französische Regierung setzte diesmal demonstrativ Zeichen: Premierminister Jean-Marc Ayrault reiste nach dem jüngsten Anschlag in dieser Woche gleich mit fünf Ministern an. Er überließ damit nicht allein dem umtriebigen Innenminister Manuel Valls das Feld. Die Probleme in Marseille sollen nicht allein auf die Frage der Sicherheit reduziert werden. Die Riege der mitgereisten Minister zeigte die Felder auf: Justiz, Soziales, Wohnungsbau, Kampf gegen Ausgrenzung. Die aus Marseille stammende Ministerin Marie-Arlette Carlotti verwies auf die schwierige Aufgabe: „Dafür braucht man einen langen Atem. Es geht gegen ein mafiöses System, das die Stadt plagt.“
Erste sichtbare Wirkung: Patrouillen von Sicherheitskräften am Hafen und in der Umgebung sollen die Gegend sicherer machen. Aktuell wird die Stadt von rund 240 Videokameras überwacht. Ihre Zahl soll deutlich steigen — bis September sind 100 zusätzliche Kameras geplant. Im kommenden Jahr sollen es dann etwa 1000 sein.
In Frankreichs zweitgrößter Stadt leben gut 850 000 Einwohner, nun sind etwa 3500 Polizeikräfte in der Region aktiv. Premier Ayrault sicherte in dieser Woche noch einmal 24 Sonderermittler und eine Einheit der nationalen Bereitschaftspolizei CRS zu.