Türkischer Botschafter verlässt Vatikan Papst spricht von „Völkermord“ an Armeniern
Rom/Ankara (dpa) - Papst Franziskus hat den Tod von möglicherweise bis zu 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren in einer Messe am Sonntag als „ersten Völkermord im 20. Jahrhundert“ bezeichnet.
Als Reaktion bestellte die Türkei, die es als Rechtsnachfolgerin des osmanischen Imperiums ablehnt, von Genozid zu sprechen, den Vatikan-Botschafter ins Außenministerium in Ankara ein. Das meldete die regierungsnahe türkische Nachrichtenagentur Anadolu.
Dagegen lobte der armenische Präsident Sersch Sargsjan die Äußerungen des Papstes als „starkes Signal“ an die internationale Gemeinschaft, dass ein Völkermord, der nicht verurteilt werde, eine „Gefahr für die ganze Menschheit“ darstelle. Sargsjan nahm an dem Gottesdienst zur Erinnerung an die Gräueltaten an den Armeniern im Petersdom teil.
Während des Ersten Weltkriegs wurden Millionen Armenier aus dem Osmanischen Reich vertrieben, viele von ihnen wurden ermordet. Nach unterschiedlichen Schätzungen kamen bei den Deportationen 1915/1916 zwischen 200 000 und 1,5 Millionen Menschen ums Leben.
„Unsere Menschheit hat im vergangenen Jahrhundert drei große, unerhörte Tragödien erlebt“, sagte der Pontifex am Sonntag bei einer Sondermesse für armenische Katholiken in der Basilika des Petersdomes. „Die -erste, die allgemein als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts“ angesehen wird, hat euer armenisches Volk getroffen - die erste christliche Nation -, zusammen mit den -katholischen und orthodoxen Syrern, den Assyrern, den Chaldäern und den Griechen.“ -Die beiden anderen Völkermorde des 20. Jahrhunderts seien „von Nationalsozialismus und Stalinismus“ begangen worden.
Der Vatikan sprach nicht das erste Mal von „Völkermord“ an den Armeniern: Wie bereits bei einem Treffen mit armenischen Geistlichen 2013 zitierte Franziskus auch bei der Gedenkmesse am Sonntag die Worte aus einer im Jahr 2000 verfassten Erklärung seines Vorgängers Johannes Paul II. und des armenischen Patriarchen Karekin II.
Das türkische Außenministerium hatte Franzikus' Worte bereits 2013 scharf kritisiert und als „inakzeptabel“ bezeichnet. Zudem warnte es den Vatikan damals davor, „Schritte vorzunehmen, die irreparable Konsequenzen für unsere Beziehungen haben könnten.“ Vom Pontifikat werde erwartet, zum Weltfrieden beizutragen, statt Feindseligkeiten über historische Ereignisse zu schüren, hieß es damals weiter. Franziskus betete während der Sondermesse für eine Versöhnung zwischen den Völkern Armeniens und der Türkei.
Bei den Feierlichkeiten in Rom war auch der armenische Patriarch Karekin II. anwesend. „Der armenische Genozid ist eine unvergessliche und unbestreitbare Tatsache, die tief in den Annalen der modernen Geschichte und im Bewusstsein des armenischen Volkes verwurzelt ist“, sagte das Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche. „Deswegen ist jeder Versuch, sie aus der Geschichte oder unserer Erinnerung zu löschen, zum Scheitern verurteilt.“
Während der Gedenkmesse erhob der Papst den armenischen Heiligen Gregor von Narek zum Kirchenlehrer. Mit diesem Ehrentitel seien bislang nur 36 Heilige gewürdigt worden, darunter der italienische Theologe Thomas von Aquin. Der mittelalterliche Mönch Gregor von Narek gilt als Armeniens größter Poet und Mystiker. Sein Kloster soll während der Angriffe auf die Armenier zerstört worden sein.