„Eine Entlassung ins Nichts“ Papst trennt sich von Glaubenskongregation-Chef Müller
Rom (dpa) - Papst Franziskus trennt sich kurz nach der Beurlaubung seines Finanzchefs George Pell auch vom deutschen Kardinal Gerhard Ludwig Müller.
Die Amtszeit des 69 Jahre alten früheren Regensburger Bischofs als Chef der mächtigen Glaubenskongregation in Rom werde nicht verlängert, gab der Vatikan bekannt. Nachfolger Müllers wird der bisherige Sekretär der Kongregation, der spanische Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer. Der 73-Jährige ist wie Papst Franziskus Jesuit. Während Müller als konservativer Hardliner gilt, der grundlegende Reformen in der katholischen Kirche ablehnt, wird Ladaria im Vatikan als „gemäßigter Konservativer“ bezeichnet.
Dass Franziskus und Müller nicht immer auf gleicher Linie lagen, war bekannt. Müller gehörte der Glaubenskongregation seit 2007 an. 2012 wurde er von Papst Benedikt XVI., Franziskus' Vorgänger, an deren Spitze berufen. Vor der Berufung an den Heiligen Stuhl war Müller zehn Jahre lang Bischof von Regensburg.
Der Papst traf den deutschen Kardinal bereits am Freitag, um ihm die Entscheidung persönlich mitzuteilen. Die fünfjährige Amtszeit Müllers geht an diesem Sonntag zu Ende. Der Kardinal reagierte überrascht auf seine Ablösung als Präfekt der Glaubenskongregation. „Differenzen zwischen mir und Papst Franziskus gab es nicht“, sagte Müller der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“. Der Papst habe aber beschlossen, ab sofort nur noch Amtszeiten von fünf Jahren zuzulassen. „Ich war der Erste, bei dem er das umgesetzt hat.“
Der Kardinal gilt als führender Kritiker des Schreibens über Familie und Liebe - „Amoris Laetitia“ - von Papst Franziskus. Darin hatte der Pontifex 2016 angeregt, dass es geschiedenen und wiederverheirateten Menschen unter gewissen Umständen erlaubt sein soll, an der Kommunion teilzunehmen.
Der Theologe Wolfgang Beinert sagte, das Verhältnis zwischen Franziskus und Müller sei nie sehr innig gewesen. „Das sind von der Chemie her zwei verschiedene Leute, die von Natur aus nicht zusammenpassen.“ Die Ablösung Müllers sei eine „Strafe“. „Das ist eine Entlassung ins Nichts“, sagte der ehemalige Hochschulprofessor der Deutschen Presse-Agentur in München.
Für die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ bedeutet ein Wechsel in der Glaubenskongregation „die wertvolle Möglichkeit einer Neuorientierung“. „Kardinal Müller hat sich immer wieder durch seine Belehrungen und Interpretationen des Papstamtes, zuletzt in seinem Buch „Der Papst“, zum Lehrmeister über den Papst erhoben“, hieß es in einer in München verbreiteten Mitteilung. Doch auch die theologischen Auffassungen seien zu unterschiedlich gewesen. Als wichtigen Aufgabenbereich, für den der Glaubenspräfekt zuständig ist, nannte die Bewegung die Verfolgung sexueller Gewalt durch Priester.
Im März hatte eines der Missbrauchsopfer katholischer Geistlicher, Marie Collins, Müllers Kongregation beschuldigt, sich der Arbeit der päpstlichen Kommission zum Schutz von Kindern zu widersetzen. Dieses „beschämende“ Verhalten sei der Grund, warum sie die Kommission verlassen habe, sagte die Irin damals dem Jesuiten-Magazin „America“. Müller hatte Ende Februar den Vorwurf systematischer Vertuschung von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche zurückgewiesen.
Dem Vatikan und der katholischen Kirche wird immer noch vorgeworfen, nicht hart genug gegen Kindesmissbrauch vorzugehen und teils pädophile Geistliche zu decken. Zur Amtszeit von Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. war herausgekommen, dass katholische Geistliche weltweit über Jahrzehnte unzählige Kinder missbraucht oder misshandelt hatten und die Fälle unter den Teppich gekehrt wurden.
Erst am Donnerstag hatte der australische Kardinal Pell nach Kindesmissbrauchs-Vorwürfen sein Amt vorübergehend niedergelegt und sich beurlauben lassen. Er wolle in seiner Heimat seine Unschuld beweisen, hatte der 76-Jährige gesagt.