Bürgermeister bestätigt Tod Polizei erschießt mutmaßlichen Straßburg-Attentäter

Straßburg · Die französische Polizei hat den mutmaßlichen Straßburg-Attentäter Chérif C. nach intensiver Suche offenbar im Stadtteil Neudorf gestellt und getötet. Die IS-Terrormiliz reklamiert den Anschlag für sich.

Ein französischer Polizist ist während einer Operation im Stadtteil Neudorf in Straßburg im Einsatz.

Foto: dpa/Christophe Ena

Zwei Tage nach dem Straßburger Terroranschlag mit drei Toten hat die Polizei den mutmaßlichen Attentäter Chérif C. getötet. Der Bürgermeister von Straßburg, Roland Ries, bestätigte am Donnerstagabend in der elsässischen Metropole den Tod „dieses Terroristen“. Gegen 21.00 Uhr hätten drei Polizisten den mutmaßlichen Attentäter im Stadtteil Neudorf auf der Straße ausgemacht, teilte der französische Innenminister Christophe Castaner mit. Als sie den Verdächtigen hätten verhaften wollen, habe dieser das Feuer eröffnet. Die Polizei habe den Angriff erwidert und den Täter getötet.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich. Der Angreifer sei ein Soldat des Islamischen Staates gewesen, meldete das IS-Sprachrohr Amak. In der Amak-Meldung heißt es, der Angreifer sei Aufrufen gefolgt, Bürger von der Staaten der Koalition anzugreifen. Damit ist die internationale Anti-IS-Koalition gemeint, die in Syrien und im Irak im Einsatz ist. Die Echtheit der Nachricht ließ sich zunächst nicht überprüfen - sie wurde aber über die üblichen Kanäle des IS verbreitet.

Laut Regionalzeitung „Les Dernières Nouvelles d'Alsace“ war der 29 Jahre alte Tatverdächtige am Donnerstag mit einer Schusswaffe und einem Messer bewaffnet gewesen. Castaner machte dazu keine Angaben. „Meine Damen und Herren, ich bin stolz“, sagte der Ressortchef am späten Abend.

Nach Angaben des Senders BFMTV hatte C. am Donnerstag eine Frau angesprochen. Diese habe bemerkt, dass der Mann verletzt gewesen sei. Sie habe darauf die Polizei alarmiert.

Polizisten ermitteln auf einer Straße im Stadtteil Neudorf in Straßburg.

Foto: dpa/Jean-Francois Badias

Der Attentäter hatte am Dienstagabend mitten in der Weihnachtssaison das Feuer in der weihnachtlich geschmückten Straßburger Innenstadt eröffnet. Zeugen haben ihn nach Angaben des Chefermittlers Rémy Heitz „Allahu Akbar“ („Gott ist groß“ auf Arabisch) rufen hören. Anschließend war er auf der Flucht vor der Polizei von Soldaten verletzt worden. C. ließ sich nach Ermittlerangaben unmittelbar nach dem Anschlag in Neudorf mit einem Taxi absetzen und verschwand danach. In der Nähe befand sich seine Wohnung, die durchsucht worden war.

Die Zahl der Todesopfer des Anschlags war zuletzt von zwei auf drei gestiegen. Ein viertes Opfer sei hirntot, bestätigte die Staatsanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur. Ermittler nahmen am Donnerstag einen weiteren Verdächtigen aus dem Umfeld des mutmaßlichen Attentäters in Gewahrsam. Er gehöre nicht zur Familie C.s, bestätigte die Staatsanwaltschaft. Damit sind insgesamt fünf Verdächtige im Gewahrsam.

Nach dem Anschlag soll der traditionelle Weihnachtsmarkt im Herzen Straßburgs an diesem Freitag wieder für Besucher geöffnet werden, wie Castaner ankündigte.

Frankreichs wird seit Jahren vom islamistischen Terror getroffen. Fast 250 Menschen wurden dabei aus dem Leben gerissen.

Deutsche und französische Behörden hatten im großen Stil mit etlichen Beamten und einem Fahndungsaufruf nach dem polizeibekannten mutmaßlichen Attentäter gesucht. Die Bundespolizei fahndete im deutsch-französischen Grenzgebiet, auch Spezialkräfte waren im Einsatz. Die französische Polizei hatte ein Fahndungsfoto des radikalisierten Gefährders samt Täterbeschreibung veröffentlicht.

Die französische Polizei war mit 700 Polizisten im Einsatz gewesen, um C. zu fassen. Außerdem hatte die Regierung die Soldaten im Anti-Terror-Einsatz verstärkt - die Armeeangehörigen der Operation Sentinelle (Wache) sollen die Sicherheit auf öffentlichen Plätzen und Weihnachtsmärkten im Land gewährleisten.

Die Bundespolizei kontrollierte insbesondere in der deutschen Grenzstadt Kehl, aber auch im Hinterland, wie eine Sprecherin der Bundespolizei der dpa sagte. Überwacht wurden demnach Fahrzeuge, der Personenverkehr über einer Fußgängerbrücke über dem Rhein sowie Züge und Straßenbahnen.

Bereits am Donnerstagnachmittag hatte es einen größeren Polizeieinsatz im Stadtteil Neudorf gegeben. Auf Fernsehbildern waren zahlreiche Einsatzfahrzeuge zu sehen. Der Anlass für die Aktion war zunächst unklar.

Der mehrfach vorbestrafte mutmaßliche Angreifer soll sich im Gefängnis radikalisiert haben. Der gebürtige Straßburger mit nordafrikanischen Wurzeln saß wegen schweren Diebstahls auch in Deutschland in Haft.

Auch die deutschen Behörden schalteten sich in die Ermittlungen gegen C. ein. Die Bundesanwaltschaft leitete ein Verfahren gegen den Angreifer wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung ein, wie ein Sprecher der Behörde vor dem Tod C.s sagte. Die Bundesanwaltschaft habe die Ermittlungen wegen der besonderen Bedeutung des Falles aufgenommen. Ein weiterer Grund sei, dass von dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt sechs Deutsche traumatisiert seien, wenn auch nicht körperlich verletzt. Die Federführung der Ermittlungen liege weiterhin in Frankreich.

Deutsche Behörden hatten C. bereits Ende 2016 eine „hohe kriminelle Energie“ bescheinigt. Die Verurteilung wegen schwerer Einbrüche offenbare „eine von rücksichtslosem Profitstreben geprägte Persönlichkeitsstruktur“ und lasse annehmen, dass er „in Zukunft Straftaten ähnlicher Art und Schwere begehen“ werde. Das geht aus der Anordnung des Regierungspräsidiums Freiburg für die Abschiebung aus der Haft hervor. Die Abteilung für Bevölkerungsschutz des Regierungspräsidiums hatte auch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für C. für die Dauer von zehn Jahren festgelegt.

Das RBB-Inforadio berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, C. sei unmittelbar vor der Tat aus Deutschland angerufen worden. Er habe den Anruf jedoch nicht angenommen. Unklar sei, wer ihn angerufen habe und warum. Dieser Frage gehen deutsche Ermittler nun intensiv nach, wie der Sender weiter berichtete.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach den Opfern und Familien in Brüssel erneut die Solidarität der gesamten Nation aus. „Es war nicht nur Frankreich, das getroffen wurde - eine französische Stadt, unsere Bürger -, sondern es war genauso eine große europäische Stadt, die vor einigen Tagen tödlich getroffen wurde.“ Macron war nach Brüssel zum Gipfeltreffen der 28 Staats- und Regierungschefs der EU-Länder gereist. Auch dort wurde der Opfer gedacht.

Unter den Todesopfern ist ein 45 Jahre alter Tourist aus Thailand, wie das Außenministerium in Bangkok bestätigte. Nach französischen Medienberichten wurde außerdem ein Franzose getötet, der gerade vor einem Restaurant auf seine Familie wartete.

Unter den Opfern ist außerdem ein Straßburger mit afghanischen Wurzeln. Die Moschee Eyyûb Sultan de Strasbourg bestätigte der dpa, dass er in den kommenden Tagen beerdigt werde. Ein viertes Opfer ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft hirntot. Das bedeutet, dass die Funktionen des Gehirns unwiederbringlich ausgefallen sind. Die Atmung und der Herzschlag können künstlich aufrecht erhalten werden.

(dpa)