Polnische Justizreform: Brüssel verschärft Verfahren
Brüssel (dpa) - Im Streit um die polnische Justizreform erhöht die EU-Kommission den Druck auf die nationalkonservative Regierung in Warschau. Die Brüsseler Behörde beschloss, ihre Kritik an Justizreformen in Form einer offiziellen Stellungnahme zu übermitteln.
Mit diesem Schritt geht das im Januar gegen Polen eingeleitete Verfahren für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in Polen in die nächste Stufe.
In letzter Instanz könnte die EU-Kommission darin sogar vorschlagen, Artikel 7 der EU-Verträge anzuwenden. Dieser sieht bei „schwerwiegender und anhaltender Verletzung“ der im EU-Vertrag verankerten Werte als schwerste Sanktion eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vor.
Vize-Kommissionschef Frans Timmermans begründete die Verschärfung des Vorgehens am Mittwoch mit den bislang ergebnislosen Diskussionen. „Ich hoffe, das wird den Dialog voranbringen“, sagte er zur Entscheidung für die Stellungnahme. Trotz aller Bemühungen und intensiver Gespräche habe man bisher keine Lösungen für die Problempunkte finden können.
Regierungsvertreter in Polen zeigten sich verärgert. „Das bestätigt leider die Sicht all jener, die sagen, dass die EU-Kommission (...) in die Angelegenheiten eines souveränen Staates eingreift, die Opposition unterstützt und gegen eine Regierung auftritt, die für die Kommission unbequem ist“, sagte Justizminister Zbigniew Ziobro. Gleichzeitig warf er der Opposition, aber auch dem Verfassungsgericht vor, einen Kompromiss verweigert zu haben.
Der Konflikt dreht sich vor allem um Änderungen bei den Regeln zur Arbeit des polnischen Verfassungsgerichts, die die EU-Kommission für nicht vereinbar mit den europäischen Grundwerten hält. Die neuen Vorgaben für das Gericht behindern nach Auffassung von Kritikern dessen Arbeit massiv. Der Gerichtshof selbst erklärte die neuen Regeln im März für verfassungswidrig. Die Regierung erkennt das Urteil der Verfassungshüter jedoch nicht an.
Timmermans betonte am Mittwoch, dass die EU-Kommission die Entscheidungen der Führung in Warschau als „systembedingte Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit“ sieht. „Das Rechtsstaatsprinzip ist einer der Grundpfeiler der Europäischen Union“, sagte er.
Deutsche EU-Politiker zeigten sich erfreut über das Vorgehen der Kommission. „Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo sollte die Warnung der EU-Kommission sehr ernst nehmen und die Entwicklung hin zu zwei parallelen Rechtssystemen und die damit verbundene Rechtsunsicherheit im Land endlich beenden“, kommentierte die SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann.
Der europäische Grünen-Chef Reinhard Bütikofer lobte: „Genau so muss es sein. Die EU muss in aller Nüchternheit und Entschiedenheit der polnischen Regierung klar machen, dass die Prinzipien des Rechtsstaates nicht verzichtbarer Zierrat an der Wirtschaftsunion sind, sondern Stützpfeiler des europäischen Zusammenhalts.“