Portugals Ex-Regierungschef verbringt zweite Nacht in Zelle

Lissabon (dpa) - Eine neue Korruptionsaffäre erschüttert Portugal: Der frühere Regierungschef José Sócrates ist wegen Verdachts auf Steuerbetrug festgenommen worden. Der 57 Jahre alte Sozialist wurde am Sonntag in Lissabon bereits zum zweiten Mal dem Untersuchungsrichter vorgeführt.

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Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Lusa. Sócrates war von 2005 bis 2011 Regierungschef. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn auch wegen Geldwäsche und Korruption.

Schon am Samstagabend hatte sich Sócrates fünf Stunden lang im Gericht für Strafsachen aufgehalten. Nach seiner Festnahme am Freitagabend verbrachte er die Nächte zum Samstag und zum Sonntag in einer Polizeizelle.

Sócrates war am Freitag unmittelbar nach seiner Ankunft aus Paris kurz vor Mitternacht auf dem Flughafen von Lissabon von Beamten abgeführt worden. Der gelernte Bauingenieur war als Ministerpräsident im März 2011 zurückgetreten, nachdem seine Minderheitsregierung im Parlament des Euro-Krisenlandes keine Mehrheit mehr für harte Sparmaßnahmen hatte finden können. Er stellte bei der EU damals auch einen finanziellen Hilfsantrag.

Es ist das erste Mal in der Geschichte Portugals, dass ein Ex-Ministerpräsident festgenommen wurde. Neben Sócrates wurden im Rahmen der Ermittlungen drei weitere Personen - ein Unternehmer, ein Anwalt und der Fahrer des Ex-Regierungschefs - festgenommen. Die Ermittlungen seien „anlässlich einer Mitteilung einer Bank“ aufgenommen worden, ließ die Staatsanwaltschaft wissen.

Es würden Bankgeschäfte und Geldtransfers „ohne bekannte Rechtfertigung“ untersucht, hieß es. Medienberichte, wonach ein Zusammenhang zur Operation Monte Branco besteht, bei der im Juli der Ex-Chef der Pleite-Bank Espirito Santo (BES), Ricardo Salgado, festgenommen worden war, dementierte die Staatsanwaltschaft jedoch.

Sócrates, der seit 2011 vorwiegend in der französischen Hauptstadt wohnt und dort auch einen Masterabschluss machte, hatte am Samstag auch eine stundenlange Durchsuchung seiner Wohnung in einem Nobelviertel Lissabons über sich ergehen lassen müssen.

Nach dem Verlassen des EU-Rettungsschirmes war das frühere Euro-Krisenland in den vergangenen Monaten bereits von zahlreichen Korruptionsaffären erschüttert worden. Dabei war neben Salgado unter anderem auch der Chef der Ausländerbehörde wegen Verdachts der Gewährung von Visa gegen Schmiergeld festgenommen worden.

Sócrates hatte die Sozialistische Partei 2005 erstmals zur absoluten Mehrheit und zum besten Wahlergebnis der Geschichte geführt. Nach mehreren Krisen und Korruptionsaffären in seiner ersten Amtszeit konnte der einst als Hoffnungsträger gefeierte Mann die Parlaments-Wahl 2009 nur noch knapp gewinnen. 2011 trat er dann zurück.