Putin schlägt die Jugend in die Flucht

Viele junge, qualifizierte Bürger kritisieren das System aus Korruption und Misswirtschaft und gehen ins Ausland.

Moskau. Die nahende Rückkehr des russischen Regierungschefs Wladimir Putin in den Präsidentenpalast Kreml ist für den 27-jährigen Alexej ein Graus. „Dann wandere ich aus“, kündigt der Computerfachmann an. Wie Alexej denken viele junge Russen, die keine Karriere im Staatsdienst anstreben. Im Land machen sich Zorn und Verzweiflung über die Staatsführung breit. Beobachter sprechen von einer regelrechten „Flucht vor Putin“.

„Wir werden von A bis Z belogen“, schimpft Oksana (32), die wie viele andere ihren richtigen Namen nicht nennen will. Unfaire Wahlen, keine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, hohe Inflation, Korruption, steigende Lebensmittelpreise, sinkende Löhne — die Missstände, die Oksana aufzählt, sind immens. Doch vor allem die Furcht, noch Jahre von dem Machttandem aus Putin und dem derzeitigen Kremlchef Dmitri Medwedew regiert zu werden, treibt gut ausgebildete junge Leute in die Ferne. In einer repräsentativen Umfrage gaben im Oktober 22 Prozent der Befragten an, auswandern zu wollen. Das sind doppelt so viele wie zum Ende der Sowjetunion. Nun will die Regierung gegensteuern.

Die Gefahr einer Auswanderung junger Leistungsträger sei erkannt, sagt Andrej Nikitin, der Leiter der Moskauer Agentur für strategische Initiativen. Putin hatte die Agentur unlängst ins Leben gerufen.

Die Agentur habe die Aufgabe, diesen gut ausgebildeten Menschen, die am russischen System verzweifeln, zu helfen, sagt Nikitin. Als ein Vorzeigeprojekt des russischen Staates gilt das neue Innovations- und Technologiezentrum Skolkowo bei Moskau, wo künftig die klügsten Köpfe die Modernisierung des Landes vorantreiben sollen. Allerdings denken weiter viele Wissenschaftler daran, ihr Glück lieber im Ausland zu suchen.

Biologen, Mathematiker und Physiker beklagen schlechte soziale Bedingungen in Russland, überbordende Bürokratie und die undurchsichtige Vergabe von Forschungsmitteln in einem durch und durch korrupten Wissenschaftsbetrieb.